zum Hauptinhalt

Brandenburg: Ein Dorf meldet sich zurück

Eigentlich gab es Pritzen nicht mehr: Der Ort sollte dem Tagebau weichen. Dann kam die Wende. Und jetzt ist das Leben wieder da

Pritzen. „Jetzt ist die Kneipe da. Da kann es mit der Wiedergeburt wohl nicht mehr schief gehen.“ Der Wirt Bernhard Radigk eröffnet am Sonnabend eine Gaststätte, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Sein Dorf in Südbrandenburg fehlt noch immer auf den meisten Landkarten. Von dort verschwand der Name Mitte der Achtzigerjahre und steht erst seit kurzem wieder auf dem Ortseingangsschild: Pritzen. Es sollte dem Braunkohlentagebau weichen. Die Einwohner suchten sich eine neue Bleibe. Doch nach der Wende änderte sich der Bedarf, niemand brauchte mehr die Kohle unter dem fast schon verlassenen Ort.

Langsam kommen alte und neue Bewohner nach Pritzen zurück. Die Eröffnung der Kneipe im Bürgerhaus lässt Zweifler an der Zukunft des Dorfes endgültig verstummen. Wer mit dem Gastwirt durchs Dorf spaziert, kommt aus dem Staunen kaum noch heraus. Häuserruinen und zerfallene Scheunen stehen neben neuen Eigenheimen, verwilderte Ackerflächen grenzen an erste Gärten. Vor allem aber endet die einstige Allee durchs Dorf im Nichts. Der Tagebau war schon fast an die ersten Häuser herangerückt. Pritzen sollte wie fünf benachbarte Dörfer im großen Loch verschwinden. Nur ein einziges Ehepaar hatte sich noch zu DDR-Zeiten geweigert, sein Grundstück an die Bergbaugesellschaft zu verkaufen. Es harrte aus, klammerte sich buchstäblich an seine Scholle. Die anderen rund 250 Einwohner hatten eine Abfindung und eine neue Wohnung in den Plattenbauten von Großräschen, Senftenberg oder Spremberg erhalten. Die Kirche verschwand ebenso vom Erdboden wie der Friedhof und der Sportplatz.

„Heute zählen wir in Pritzen schon wieder 70 Bewohner“, sagt der zuständige Amtsdirektor Detlef Höhl. „Etwa 150 sollen es in absehbarer Zeit wieder werden.“ Er habe keine Sorgen, dass die Zahl erreicht werde. „Pritzen erhält eine wunderbare Umgebung, viele Grundstücke liegen in unmittelbarer Nähe zum Wasser“, erzählt er. „Das lockt selbst Fremde in diese einstige Einöde.“ Auch auf Künstler übe der Ort eine magische Anziehungskraft aus. Tatsächlich stehen schon mehrere Zeugnisse von Kunstbiennalen um den Ortskern. Sogar eine Kirchenglocke läutet wieder. Sie stammt aus dem nahe gelegenen Wolkenberg, das der Tagebau schluckte.

Noch ist die Zukunft des Ortes nur zu erahnen. Vom Grund des riesigen Tagebaus steigt das Grundwasser schon wieder an. 2015, so ergaben Prognosen, wird Pritzen an einen 1000 Hektar großen See grenzen. Mit einer durchschnittlichen Tiefe von 60 Metern gehört er dann zu den größten Brandenburger Gewässern. Auf phantasievollen Bildern fahren auf dem See bereits Dampfer und Segelboote. Ein Strandbad lädt zum Besuch ein, wie mehrere Eisdielen und Cafés.

„Wir haben die Chance, einer geschundenen Landschaft ein völlig neues Gesicht zu geben“, sagt Professor Rolf Kuhn, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung „Fürst-Pückler-Land“. Wasser spiele da eine entscheidende Rolle. Besonders begeistert ist er von einer geplanten Pontonbrücke quer über den neuen See. „Dann können die Menschen wieder wie auf der früheren Allee auf schnellstem Wege nach Altdöbern gelangen.“ Einen Kilometer lang soll die Brücke für Fußgänger werden und schon in zwei Jahren montiert sein. Sie steigt dann mit dem nach oben drückenden Wasser in die Höhe. Außerdem sind schwimmende Häuser und ein richtiges Hafendorf geplant. Noch sind einige Grundstücke in Pritzen zu haben, wie eine Nachfrage ergab.

Gastwirt Bernhard Radigk verweist schon auf mehrere Eintragungen in seinem Terminkalender. Bald richtet er die erste Hochzeit und die erste Silberhochzeit aus.

Zur Startseite