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Brandenburg: Eine Demo für die Kraniche

Die eleganten Vögel leiden an den Linumer Teichen unter der Knallerei der Gänsejagd – dagegen protestierten gestern die Naturschützer

„Jetzt segeln sie wieder in breiter Front über die Dörfer, der Himmel ist voller Kraniche und das ganze Rhinluch erfüllt von deren Trompeten“: Henrik Watzke, Chef des Naturschutzzentrums Linum, gerät ins Schwärmen, wenn er den Flug der Kraniche beschreibt. Doch zurzeit packt ihn dabei auch Zorn. Gestern ging er deshalb mit zweihundert Naturschützern am Rande der Linumer Teiche im Nordwesten Berlins demonstrieren. Eine Protestaktion „gegen angereiste rücksichtslose Jäger“, wie Watzke sagt. Diese schossen in den vergangenen Wochen zwar nicht auf Kraniche, schließlich stehen die eleganten Vögel unter Naturschutz. Aber sie zielen offenbar eifrig auf Wildgänse an den Teichen und schrecken durch ihre Knallerei die Kraniche ständig auf.

Bless- und Saatgänse aus dem hohen Norden dürfen vom 1. November an gejagt werden, wenn sie auf ihrem Flug gen Süden in Brandenburg rasten. Sie sind nicht gesetzlich geschützt, außerdem zupfen und rupfen sie scharenweise an den jungen Trieben der Wintersaat, weshalb man sie aus Sicht der Landwirte in Grenzen halten muss. Etwa 6000 Wildgänse werden deshalb jährlich im Land geschossen. Allerdings mit Einschränkungen. Innerhalb von Natur- und Vogelschutzgebieten wie beispielsweise im Naturpark Nuthe-Nieplitz im Südwesten Berlins müssen Jäger auf ihre Leidenschaft generell verzichten. Zum Zweiten schreibt das Naturschutzgesetz vor, dass sie geschützte Arten durch Knallerei nicht beunruhigen dürfen. „In der Nähe eines Schreiadlerhorstes oder einer Schar Kraniche würde ich niemals schießen“, sagt der Präsident des brandenburgischen Landesjagdverbandes Wolfgang Bethe und betont, dass es zwischen Jägern, Naturschützern und Bauern entsprechende Absprachen gibt. Bethe: „Gänse schießen wir in der Regel nur auf Feldern.“ Doch wieso geraten dann Jäger und Vogelfreunde ausgerechnet am Dorf Linum so hart aneinander? Immerhin rasten auf dessen 36 Teichen alljährlich bis zu 30 000 Kraniche in guter Nachbarschaft mit zehntausenden Wildgänsen, bevor sie Mitte November weiterfliegen.

„Leider ist das Rhinluch noch nicht als Vogelschutzgebiet ausgewiesen“, sagt Henrik Watzke vom örtlichen Naturschutzzentrum des Deutschen Naturschutzbundes (NABU). Anträge laufen zwar, werden aber noch geprüft. Die Chancen sind gut, denn Linum hat sich nicht nur als Storchendorf einen Namen gemacht, sondern auch als Paradies für tausende Vogelfreunde, die sich im Herbst bei den Kranichen auf die Fotolauer legen. Und das passt auch aus Sicht des örtlichen Fremdenverkehrsvereins nicht so recht mit der Gänsejagd zusammen.

In den vergangenen Jahren hätten sich die Jäger durchaus zurückgehalten, heißt es bei den Vogelfreunden. Doch 2003 habe der Eigentümer der Teiche die Jagdrechte drumherum an einen westdeutschen Bewerber verpachtet, der wiederum Freunde zur Gänsejagd einlud, die keine Brandenburger sind. Und die schossen offenbar übers Ziel hinaus. Sogar mit Leuchtkugeln hätten sie abends die Kraniche aufgeschreckt, wird berichtet. Nun ermittelt nach Auskunft des Landesjagdverbandes die Naturschutzbehörde – während Teichbesitzer Uwe Wenz heftig dementiert: „Bei uns hat sich kein Jäger danebenbenommen.“ Zumindest für gestern trifft dies zu: Die Demonstranten warteten vergeblich auf Männer mit Schrotflinten.

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