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Brandenburg: Eins plus von den Schülern

An Oranienburgs Runge-Gymnasium lernen „Deutschlands zufriedenste Schüler“. Dies ergab eine Umfrage. Dass es ihre Oberschule noch gibt, haben Eltern und Jugendliche kürzlich erkämpft

Oranienburg – Bücher, die aus ihrem Umschlag fallen. Außenwände, von denen der Putz bröckelt. Das Friedlieb-Ferdinand-Runge-Gymnasium in Oranienburg hat jede Menge Probleme, doch Direktor Uwe Seidler blickt dennoch zufrieden über den Schreibtisch. In der vergangenen Woche hat die Schulgemeinschaft des Runge-Gymnasiums der Verwaltung einmal mehr die lange Nase gezeigt. Nachdem im März die Schließungspläne des Kreistags abgewendet wurden (der Tagesspiegel berichtete), hat Seidler die Zukunftsempfehlung nun schwarz auf weiß in der Hand. Das Friedlieb-Ferdinand-Runge-Gymnasium ist Deutschlands „Schule des Jahres 2004“.

In einem Wettbewerb des in Bochum erscheinenden Schulmagazins „Unicum Abi“ kam heraus, dass an der Oranienburger Schule „Deutschlands zufriedenste Schüler“ lernen. Rund 12 000 Gymnasiasten aus ganz Deutschland hatten dazu ihrer Schule ein Zeugnis ausgestellt. In drei von sechs Kategorien landete das Runge-Gymnasium auf Platz eins. Für die Computerausstattung, das Schulklima und die außerschulischen Aktivitäten gab es Spitzennoten. Ein Ergebnis, das der Schulleitung den Rücken stärkt.

Doch Nachtreten ist nicht Uwe Seidlers Stil. Der Direktor gibt sich bescheiden: Wohlgemerkt keine unabhängige Kommission, sondern die Schüler selbst hätten die Noten verteilt, sagt er. Und die jungen Leute hätten wohl schlicht die Veränderung zum Positiven honoriert, nicht die Zustände an sich. Naturgemäß fehle Schülern der Vergleich zu anderen Schulen im Land . Die gelobte Computerausstattung etwa wurde vor kurzem erst eingerichtet und hat 40 Arbeitsplätze. Das ist für 650 Schüler nicht außergewöhnlich viel. Außerdem seien die Plätze nicht besonders gut ausgestattet, sagt der Direktor.

Dennoch ist etwas dran an dem errungenen Titel, findet Schülersprecherin Franziska Dowall, und lobt beispielsweise ausdrücklich das Schulklima. „Man kann hier mit jedem über alles reden. Die Lehrer sind oft auch unsere Freunde“, sagt die 16-jährige Schülerin der 10. Klasse. Mit Stolz verweisen Direktor und Schüler auch auf den hohen Einsatz der 40 Lehrkräfte. Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften, der Surf-Kurs in den Sommerferien, das alljährliche Ski-Lager in den Winterferien: All das finde außerhalb der Unterrichtszeit statt. Nicht nur die Schüler, auch die Lehrer zwacken es von ihrer Freizeit ab.

Für den Zusammenhalt in der Schulgemeinschaft mag aber vor allem der heftige Kampf gegen die drohende Schließung der Schule gesorgt haben. Vor zwei Jahren kam im Landratsamt erstmals der Gedanke auf, das Runge-Gymnasium wegen sinkender Schülerzahlen mittelfristig dichtzumachen.

Ausgerechnet zwei Wochen vor dem 90. Geburtstag der Schule im März dieses Jahres rüttelten die Pläne des Kreistags erneut am Schulfrieden. Schon im Herbst sollte keine 7. Klasse mehr eingerichtet werden, hieß es, die höheren Klassen sollten ihre Ausbildung zwar noch beenden, danach wollte man den Schulbetrieb aber auflösen.

Anfang März starteten Schüler und Lehrer dann eine spektakuläre Protestaktion: Sie besetzten drei Tage und Nächte lang das Schulgebäude, um für die Erhaltung des Runge zu demonstrieren. Presse und Fernsehen berichteten in großer Aufmachung darüber. Mit einer Stimme Mehrheit lehnte der Kreistag Oberhavel nach einer heftigen Debatte am Ende die Schließungspläne ab.

Dies stärkte wieder das Vertrauen der Eltern in die Schule. Direktor Uwe Seidler hatte dieses Jahr wieder mehr Anmeldungen auf dem Tisch als Plätze, er musste sogar einige Schüler ablehnen. Ein Grund zum Zurücklehnen ist das für ihn aber nicht. Wenn die Verwaltung will, befürchtet der Schulleiter, „geht der Streit um die Schule im nächsten Jahr von vorne los.“

Thorsten Wiese

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