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Brandenburg: Eltern wollen keine Schulbetreuer aus Stellenpool

Klagen über „erheblich schlechtere Hilfen“ für schwerstbehinderte Kinder durch neue Senatsvorgaben

Körperlich schwerstbehinderte Kinder kommen seit Schuljahresbeginn nicht in den Unterricht, weil sie keine Schulhelfer mehr haben. Autistische Schüler sind nicht mehr lernfähig, da sie starke Ängste entwickeln. Es fehlen von heute auf morgen die vertrauten Schulhelfer, die ihnen bislang ständig zur Seite standen: Die Liste solcher Klagen an Berlins Förderschulen für behinderte Kinder ist lang.

Schulhelfer kümmern sich um ein schwerstbehindertes Kind während des Schulalltags. Sie sind ständig präsent und können so auf Bedürfnisse sofort reagieren. Ohne diese Hilfe wäre es allenfalls möglich, die Kinder daheim zu unterrichtet, aber nicht im Klassenverband. Aufgebrachte Eltern und Rektoren werfen der Bildungsverwaltung nun vor, sie ignoriere den gestiegenen Bedarf und lehne etliche sonderpädagogisch ausgebildete Helfer ab, die bislang erfolgreich tätig waren. Diese bewährten Kräfte würden seit Schuljahresbeginn durch weniger qualifizierte Betreuer aus dem Stellenpool des Landes ersetzt. Die Behörde hält dagegen, es gebe keinerlei Verschlechterungen.

Nach Angaben der Verwaltung wurde aus dem regulären 5,2-Millionen-Euro- Jahresetat für Schulhelfer- und Betreuer kein Euro gekürzt. Angesichts des steigenden Bedarfs seien die Finanzmittel sogar kontinuierlich gestiegen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, heißt es – was Elternsprecher bestreiten. Es sei zwar richtig, dass der Etat für 2008/2009 etwas erhöht wurde, sagt die Sprecherin des „Netzwerkes Förderkinder“, Doreen Kröber. Das reiche aber nicht aus, um den stark gestiegenen Bedarf beispielsweise bei autistischen Kindern zu decken. Durch verbesserten Diagnosemöglichkeiten und frühzeitige pädagogische Anstrengungen könnten solche Kinder inzwischen mit günstigeren Aussichten am Unterricht teilnehmen. So besuchten 2006/ 2007 in Berlin 133 junge Autisten eine Förderschule, inzwischen sind es mehr als 170. Die Zahl der Helferstunden sei aber nur um zehn Prozent erhöht worden.

Die Folgen haben die im Netzwerk zusammengeschlossenen Eltern und Verbände bei einer Umfrage in Förderschulen zusammengetragen. So seien beispielsweise in der Wilmersdorfer Finkenkrug-Schule von 60 beantragten Helferstunden pro Woche für zwei autistische Kinder 40 Stunden gestrichen worden. Und die Marianne-Buggenhagen-Schule in Pankow habe von 220 beantragten Wochenstunden nur 70 bewilligt bekommen. „Wirklich qualifizierte Helfer fehlen an allen Ecken und Enden“, sagt Heike Heldt von der „Schule am Stadtrand“ in Spandau. Sie ist selbst Mutter eines autistischen Mädchens. Künftig habe ihre Tochter nur noch 3 statt bisher 15 Stunden pro Woche einen Helfer zur Seite.

Dass der Einsatz von Schulhelfern derart reduziert wird und Eltern und Behörde die Situation höchst widersprüchlich schildern, hängt auch maßgeblich mit dem Streit um die neuen Schulbetreuer aus dem Stellenpool zusammen. Die Verwaltung hat vom Senat die Auflage, eine größere Zahl der bisherigen Schulhelfer durch Mitarbeiter aus dem Pool zu ersetzen. Diese Schulbetreuer sind aber aus Sicht ihrer Kritiker „weitaus weniger qualifiziert“. Eltern und Lehrer sind gegenüber den Neuankömmlingen skeptisch, diese würden doch „nur zahlenmäßig“ einen Ausgleich schaffen, heißt es.

Der Pool soll Landesmitarbeiter, deren Tätigkeit überflüssig geworden ist, an anderer Stelle in öffentlichen Einrichtungen wieder sinnvoll einsetzen. Diese Vermittlung spart Geld, weil niemand von außen neu angestellt werden muss. Problematisch ist jedoch, dass etliche eher der Not gehorchend den neuen Job akzeptieren und oft in anderen Bereichen wie der Altenpflege gearbeitet haben. Die bislang von außen angeworbenen Schulhelfer seien dagegen meist motiviert und sonderpädagogisch ausgebildet gewesen, sagt Rektorin Gerda Damaschke von der Helene-Haeusler-Schule in Prenzlauer Berg.

Um die Betreuer aus dem Stellenpool für ihre künftigen Aufgaben besser zu qualifizieren, hat die Schulverwaltung nun ein Fortbildungsprogramm ausgearbeitet. Zusätzlich sei die Behörde aber auch bei den bisherigen Schulhelfern zu Nachbesserungen bereit, sagt Abteilungschef Erhard Laube. „Bei begründetem Bedarf können wir darüber jederzeit reden.“ Christoph Stollowsky

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