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Enteignungs-Affäre: 440 Erben können Rückgabe erwarten

Das Finanzministerium will die Grundstücke bis Jahresende an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben. An der Einverleibung der herrenlosen Grundstücke hätte niemand Interesse gehabt hat, erklärt die damals amtierende Finanzministerin.

In der Enteignungs-Affäre um Bodenreform-Immobilien gibt es neue Indizien dafür, dass sich das Land Brandenburg die damals herrenlosen Grundstücke aus fiskalischen Gründen angeeignet hat. So zitierte der CDU-Obmann Dierk Homeyer am Dienstag im Untersuchungsausschuss aus einem Schreiben des Finanzministeriums aus dem Jahr 2003 zum Stand der Durchsetzung von Landesansprüchen bei Bodenreform-Immobilien, in dem es wörtlich heißt: „Bevor es dann schließlich an die Verteilung der ,Beute’ geht, ist noch eine Hürde zu nehmen.“ Mit der Hürde war dann lediglich gemeint, dass der Bund sich selbst noch vorbehalten hatte, die ans Land übergegangenen Bodenreform-Grundstücke in Besitz zu nehmen. „Man muss fragen, welche Geisteshaltung im Ministerium herrschte“, sagte Homeyer. In der SPD wurde aufmerksam registriert, dass Homeyer – und nicht die Linke-Opposition das brisante Papier aufdeckte.

Die skandalöse „Beute“-Formulierung in direktem Bezug auf vom Land in Besitz genommene Bodenreform-Grundstücke war im Entwurf eines Berichtes für das Kabinett enthalten, den die damalige Finanzministerin Dagmar Ziegler am 4.November 2003 der Landesregierung vorlegte. Die Passage hatte bereits alle Ministeriumsebenen unbeanstandet durchlaufen, war mehrfach abgezeichnet worden, ohne dass sich jemand daran störte – und war erst vom Staatssekretär in der Endfassung herausgestrichen worden.

Ziegler, im Amt von September 2000 bis 2004, die neben dem heutigen Minister gestern im Untersuchungsausschuss als Zeugin vernommen wurde, distanzierte sich von der Formulierung. Zuvor hatte Homeyer noch sarkastisch gefragt: „Haben Sie einer Räuberbande vorgetragen oder dem Kabinett?“ Zieglers Antwort: Sie könne sich nicht an solche Wortwahl erinnern, aber so etwas sei „nicht akzeptabel“. Dennoch äußerte sie sich überzeugt, dass im Finanzministerium niemand ein Interesse gehabt habe, „Liegenschaften einzuverleiben, die dem Land nicht zustanden“.

Genau dies aber war in den Jahren 1999/2000 in tausenden Fällen geschehen, was erst das spektakuläre Urteil des Bundesgerichtshofs vom Dezember 2007 aufdeckte. Es rügte die Inbesitznahme von rund 10 000 Bodenreform-Grundstücken ohne bekannte Erben durch das Land Brandenburg als „sittenwidrig“ und eines „Rechtsstaates unwürdig“. Finanzminister Rainer Speer (SPD) versicherte im Ausschuss, dass die Landesregierung nach Bekanntwerden des Urteils ihrer Pflicht nachgekommen sei, „Betroffene zur ihrem Recht zu verhelfen“. Nach aktuellen Angaben des Finanzministeriums hat Brandenburgs Regierung mittlerweile 108 Grundstücke an rechtmäßige Erben zurückgegeben. In weiteren 123 Fällen sei eine Rückgabe „zugesagt“, heißt es. Speer sagte, dass das Ministerium davon ausgeht, dass 440 Anspruchsteller ihr Eigentum zurückerhalten werden. Das ist etwa jeder fünfte der rund 1900 Betroffenen, die sich schriftlich an Brandenburger Behörden gewandt hatten.

„Wir hoffen, dass wir die Bodenreformfrage bis auf einige schwierige Einzelfälle in diesem Jahr zum Abschluss bringen“, sagte Ingo Decker, Sprecher des Finanzministeriums. Die Links-Opposition sah nach der Vernehmung von Speer und Ziegler ihren Verdacht erhärtet, dass sich die Arbeitsebene im Finanzministerium bei der Enteignungs-Affäre „ohne hinreichende politische Führung verselbständigen konnte“. Die Linke warf Speer vor, nur „halbherzige Maßnahmen“ zur Korrektur der Landnahme veranlasst zu haben, die die versäumte Erbensuche nicht kompensieren könne.

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