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Brandenburg: Entwarnung in der Uckermark

Von Thorsten Metzner und Claus-Dieter Steyer Stegelitz/Potsdam. Neue Entwicklung im Ökoskandal um Giftweizen: Der Ökobetrieb aus Stegelitz ist zu Unrecht in Verdacht geraten.

Von Thorsten Metzner

und Claus-Dieter Steyer

Stegelitz/Potsdam. Neue Entwicklung im Ökoskandal um Giftweizen: Der Ökobetrieb aus Stegelitz ist zu Unrecht in Verdacht geraten. In dem uckermärkischen Betrieb wurden keine Spuren des verbotenen Pflanzenschutzmittels Nitrofen gefunden. Das ergaben Laborproben, die sowohl vom Landesamt für Verbraucherschutz als auch von der Rostocker Prüfstelle LUFA untersucht wurden, deren Prüfergebnisse dem Tagesspiegel vorliegen. Das Brandenburger Agrarministerium gab gestern Entwarnung für das Unternehmen, das als „Quelle der in Niedersachsen festgestellten Nitrofen-Verunreinigungen nicht mehr in Betracht“ komme. „Brandenburger Ökoprodukte sind sauber“, sagte Agrarstaatssekretär Dietmar Schulze (SPD) dem Tagesspiegel. Er sei jedoch bestürzt, dass der Steglitzer Ökobetrieb vorschnell zum „Sündenbock“ gemacht worden sei. Er sicherte dem Unternehmen Unterstützung des Ministeriums zu, falls es wegen Rufschadens Regressansprüche durchsetzen wollte.

„Irgendetwas bleibt nach jedem Verdacht immer hängen“, fürchtet Klaus Drewelow, der Geschäftsführer des Stegelitzer Betrieb. Viel mehr will er nicht sagen. Immer wieder hat er sich seit dem Wochenende gefragt, warum ausgerechnet seine Agrarerzeuger- und Vertriebsgenossenschaft als Verursacher des mit gefährlichen Pflanzenschutzmitteln verseuchten Öko-Weizens bundesweit am Pranger stand. Beim Telefonat mit dem Neubrandenburger Futtermittelaufkäufer, der seinen Stegelitzer Betrieb in Verruf gebracht hatte, bleibt Drewelow ruhig und braust nicht etwa auf. „Wie konntet Ihr das mit uns machen?“ fragt er.

Eine Frage, der inzwischen auch auf offizieller Ebene nachgegangen wird. Nach der Entwarnung für Brandenburg dreht sich der Skandal um verseuchten Ökoweizen Richtung Mecklenburg-Vorpommern und wiederum Niedersachsen. Nach Recherchen des Ministeriums hatte der zunächst verdächtigte Steglitzer Ökobetrieb Anfang Oktober vergangenen Jahres 295 Tonnen Bioweizen an den Neubrandenburger Getreidegroßhändler verkauft, die in dessen Prenzlauer Niederlassung zur Trocknung geliefert worden seien. Von Prenzlau seien jedoch 50 Tonnen mehr ins Ökogetreidelager Malchin/Mecklenburg gebracht wurden.

Es bestehe der Verdacht, so Staatssekretär Schulze, dass der Neubrandenburger Händler Getreide „aus Brandenburg, Mecklenburg oder Ostereuropa“ dazugemischt habe. Auf die Frage, woran man den teureren Bioweizen von herkömmlichem Weizen unterscheiden könne, gab der Staatssekretär folgende Antwort: „Es gibt keine signifikanten Unterschiede.“ „Erstaunlich“ für einen Großhändler sei auch, so Schulze, dass dieser keine Rückstellproben der jeweiligen Lieferungen vorgenommen habe, „obwohl diese vorgeschrieben sind.“ Man habe das Landwirtschaftsministerium in Rostock deshalb aufgefordert, die Warenströme aufzuklären. Unabhängig davon habe das Ministerium eine eigene Überprüfung der Prenzlauer Niederlassung veranlasst.

Das Potsdamer Ministerium wies Vorwürfe zurück, Hinweise auf den Nitrofen-Skandal ignoriert zu haben. Ein Referatsleiter sei am 12. April von der Berliner Agro Öko Consult darüber informiert worden, dass der Neubrandenburger Futtermittelaufkäufer den Stegelitzer Betrieb in Verdacht gesetzt habe. Eine genommene Probe sei jedoch negativ gewesen, sagte Schulz. „Kenntnis vom Ausmaß der Affäre hat das Ministerium erst seit dem 24. Mai.“ Er gab aber zu, dass es der Referatsleiter versäumt habe, die Ministeriumsspitze über den Vorgang zu informieren.

Auf den Ökohöfen im Land machen sich die Bauern Sorgen um ihre Zukunft. „Hoffentlich geht jetzt die ganze Öko-Branche nicht den Bach runter“, bangt Drewelow. „Dann können wir hier ganz einpacken, wenn uns niemand mehr unsere Produkte abkauft.“ Unterstützung erhalten die Uckermärker vom agrarpolitischen Sprecher der ökologischen Anbauverbände Brandenburgs, Stefan Palme. Bis zum heutigen Tag habe der Neubrandenburger Aufkäufer keinen Beweis für die Beschuldigung der Stegelitzer Genossenschaft erbracht. „Soll hier ein Landwirtschaftsbetrieb als Bauernopfer herhalten, um ein großes Agrarunternehmen zu schützen?“ fragt er sich. Palme bestätigte, dass Futtermittelhändler die von verschiedenen Erzeugern aufgekauften Futtermittel bis zur Lieferung an Geflügelzüchter nicht in jedem Fall separat lagern. „Eine Durchmischung ist nicht ausgeschlossen.“ Daher lassen sich Spuren nicht eindeutig zurückverfolgen.

Über eine Verleumdungsklage gegen seinen bisherigen Neubrandenburger Geschäftspartner hat Klaus Drewelow noch nicht entschieden.

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