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Brandenburg: Ermyas M.: Schönbohm verteidigt Polizei

Innenminister weist Vorwurf von Ermittlungspannen zurück. Kripo kritisiert geplanten Stellenabbau

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sieht im Fall Ermyas M. „keine Ermittlungspannen“. Er verteidigte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtages das Vorgehen der Polizei nach dem Überfall auf den Deutsch-Äthiopier, der in der Nacht zum Ostersonntag 2006 in Potsdam lebensgefährlich verletzt worden war. „Herr des Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft. Von dort gibt es keine Kritik an den Ermittlungen“, sagte Schönbohm. Die Parlamentarier gaben sich mit der Darstellung über die Polizeiabläufe in der Nacht zufrieden. Er sehe keinen Anlass, der Polizei Mängel zu unterstellen, sagte Ausschusschef Hans-Jürgen Scharfenberg (PDS) nach der Sitzung.

Zuvor hatte der Potsdamer Polizeipräsident Bruno Küpper versichert, die Spuren am Tatort seien „nach allen Regeln der polizeilichen Kunst“ gesichert worden, erst von Streifenpolizisten, später auch von Kriminaltechnikern. Dass die Verteidigung im Ermyas–Prozess dies anders darstelle, sei normal. „Sie wird nach jeder Gelegenheit greifen, Polizei und Staatsanwaltschaft madig zu machen.“ Er räumte lediglich ein, dass die Polizei in diesem Fall einen Notruf ignoriert hat. Im Ermyas-Prozess vor dem Potsdamer Landgericht hatte am Mittwoch eine Zeugin ausgesagt, dass sie die Polizei gegen vier Uhr unter der Notrufnummer 110 um Hilfe für den verletzten dunkelhäutigen Mann gebeten habe – und brüsk abgewiesen wurde: Sie möge die Feuerwehr-Rettungsleitstelle unter 112 anrufen. Zwar habe es in dem Anruf keinen Hinweis auf eine Straftat gegeben, sagte Küpper. „Trotzdem war es falsch. Wenn jemand die Polizei um Hilfe bittet, darf das nicht abgelehnt werden.“ Er habe deshalb die Beamtin – und zwar nicht erst jetzt, sondern bereits im April 2006 – umgehend aus der Leitstelle in einen Schutzbereich versetzt, gegen sie „Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung“ erstattet und disziplinarische Schritte eingeleitet. Über den Stand der beiden Verfahren wollte sich Küpper nicht äußern. Er wies darauf hin, dass sich durch das Versäumnis die Hilfe für den Verletzten nicht verzögert habe, da zu diesem Zeitpunkt bereits ein Rettungswagen vor Ort war.

Keine Panne sehen Schönbohm und Küpper auch darin, dass die Kriminaltechniker den Tatort erst gegen 7.20 Uhr untersuchten – knapp dreieinhalb Stunden, nachdem Ermyas M. mit schweren Verletzungen in die Notaufnahme des Potsdamer Bergmann-Klinikums gebracht wurde. Zwei Streifenpolizisten, die gegen 4 Uhr vor Ort waren, hatten im Prozess ausgesagt, dass sie vergeblich Kriminalpolizei angefordert und deshalb die Spuren selbst gesichert hätten. Nach Aussagen von Küpper ist das durchaus üblich. „Es gibt keinen rund um die Uhr tätigen kriminaltechnischen Tatortdienst, wie übrigens in keinem Flächenland. Es wäre auch völliger Irrsinn.“ Bei 20 bis 40 Kapital-Delikten pro Jahr im Polizeipräsidium Potsdam – etwa die Hälfte der Landesfläche – lohne sich das auch gar nicht. Die Streifenbeamten hätten die Spuren professionell – Einweghandschuhe, Nummernschildchen – gesichert, so Küpper. „Ausgebildete Kriminalisten hätten es nicht anders gemacht.“

Auch dass die Glasscherben einer Bierflasche – wegen beginnenden Regens – in eine einzige Tüte gesammelt wurden, ist aus Sicht des Polizeipräsidenten „in Ordnung“. Dadurch seien keine Spuren beeinträchtigt worden. Dies werde eine Wissenschaftlerin des Landeskriminalamtes im Prozess aussagen, so Küpper. Die DNA–Spur „an einer Scherbe beweist trotzdem, dass derjenige vor Ort war“. Er wies zudem darauf hin, dass die Dienstgruppenleiterin erst später, nämlich „um 6.26 Uhr“ vom Klinikum die Schwere der Verletzungen von Ermyas M. erfahren und dann den Kriminalbeamten, der Bereitschaft hatte, alarmiert habe.

Die Debatte um Ermittlungspannen im Fall Ermyas M. hat bei Polizei-Gewerkschaften und PDS die Kritik am geplanten Abbau von 400 Kripo-Stellen im Land wachsen lassen. Schönbohm, aber auch SPD, CDU und PDS wiesen in diesem Zusammenhang die Forderung von Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg zurück, stattdessen die beiden Polizeipräsidien zusammenzulegen.

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