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Fall Nancy: 14-Jährige erschoss kleine Schwester – Vater vor Gericht

Der Vater der 6-Jährigen Nancy soll sein Jagdgewehr ungesichert in der Wohnung in Neuruppin gelassen haben. Seiner ältere Tochter wird vorgeworfen mit der Waffe auf ihre jüngere Schwester geschossen zu haben. Auch sie muss sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Neuruppin/Linow - Das schreckliche Geschehen im Januar 2006 ist im kleinen Dorf Linow bei Rheinsberg unvergessen. An einem sonnigen Tag rasten damals Krankenwagen und Polizeifahrzeuge zu einem Einfamilienhaus an der Ortsgrenze. Schnell machte die unfassbare Nachricht die Runde: Ein sechsjähriges Mädchen war dort durch einen Schuss aus einem Jagdgewehr getötet worden. Alle Bemühungen des von ihrem Großvater sofort verständigten Notarztes blieben erfolglos. „Das Mädchen verblutete durch die Verletzung einer Arterie im Schulterbereich“, hieß es Wochen später im Bericht eines Gutachters.

Heute muss sich der Vater des Kindes wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht Neuruppin verantworten. Er soll sein Gewehr mit eingeschobenen Magazin und drei Patronen unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückgelassen haben. Die damals 14-jährige Schwester von Nancy konnte daher das geladene Gewehr nehmen. Sie soll nach Angaben des Gerichtes auf die kleine Nancy geschossen und sie tödlich verletzt haben. Für die heute 16-Jährige beginnt der Prozess am 10. März.

Lange Zeit blieb der genaue Ablauf des Falles unklar. Polizei und Staatsanwaltschaft glaubten zunächst der Aussage der Schwester: Sie habe in ihrem Zimmer im ersten Stock Hausaufgaben gemacht und sei genau wie der ebenfalls anwesende Großvater erst durch den Schuss aus dem Wohnzimmer aufgeschreckt worden. Die Eltern waren zu dieser Zeit nicht im Haus, sondern wegen einer Erkrankung der Mutter bei einem Arzt. Die Sechsjährige, so lautete das erste Fazit der Kripo vor Ort, habe sich beim Spielen mit dem Gewehr selbst getroffen. Wegen des schrecklichen Verlustes der Eltern verzichteten die Ermittler zunächst auf weitergehende Befragungen.

Ballistische Untersuchungen kamen allerdings später zu einem anderen Schluss. Nancy war demnach viel zu klein, um sich die tödlichen Verletzungen selbst beizubringen. Sie wurde eindeutig seitlich vom Schuss getroffen. An ihrem Körper fehlten Schmauchspuren. Die Waffe lag außerdem nicht unmittelbar neben der Toten.

Die Staatsanwaltschaft nimmt inzwischen an, dass die ältere Schwester mit dem geladenen Gewehr auf ihre sechsjährige Schwester gezielt und dann – womöglich in spielerischer Absicht – abgedrückt hat. „Hierdurch traf sie ihre Schwester in einer Entfernung von circa ein bis zwei Metern im Schulterbereich.“

Der Vater ist nun wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt: Er hätte sein Jagdgewehr nicht unbeaufsichtigt und ungesichert zurücklassen dürfen. In Linow gilt der Mann seit mehr als 20 Jahren als erfahrener Jäger. Er war Ausbilder der Jugendfeuerwehr und wird von Nachbarn als besonnen und zuverlässig beschrieben. Nie hätten sie geglaubt, dass ausgerechnet ihm solch ein Fehler unterlaufen würde. Das Strafgesetzbuch sieht für fahrlässige Tötung eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.

Auch die Schwester muss sich wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung verantworten. Ihr Gerichtsverfahren findet aber angesichts ihres Alters unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ursprünglich sollte der Prozess gegen sie schon im Januar vergangenen Jahres beginnen. Er wurde aber wegen Verhandlungsunfähigkeit der Minderjährigen verschoben. Für sie kommt das Jugendstrafrecht zur Anwendung.

Das Amtsgericht Neuruppin hat für beide Verhandlungen jeweils einen Prozesstag angesetzt.

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