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Brandenburg: Fontanes Liebling ist jetzt „Fluss des Jahres“

Naturfreunde und Anglerverband krönten die Havel. Veranstaltungen sollen auf Gefahren durch Ausbaupläne aufmerksam machen

Fürstenberg. Für Theodor Fontane war die Havel der Lieblingsfluss. Er fand sie apart, lobte das Blau des Wassers und die zahllosen Buchten. Seit gestern sollen die verbliebenen Havel-Reize deutschlandweit noch bekannter werden. Als „Fluss des Jahres 2004“ steht sie im Mittelpunkt der Naturschützer, vieler Tourismusbetriebe und der Angler. Der gestrige Festakt im Schloss von Fürstenberg, dessen Park an einen Havelsee grenzt, gab den Auftakt zu zahlreichen Veranstaltungen. Sie sollen sich der Schönheit des 343 Kilometer langen Flusses widmen, aber auch auf mögliche Gefahren durch einen weiteren Ausbau für die Schifffahrt hinweisen.

Vorgänger als „Fluss des Jahres“ waren in den vergangenen Jahren die Ilz bei Passau und die Gottleuba bei Dresden. In beiden Fällen wollten der Verband der Naturfreunde Deutschlands und der Deutsche Anglerverband die Öffentlichkeit für die „Kloaken“ sensibilisieren und die Behörden zum Eingreifen ermuntern.

„Die Havel aber ist in weiten Teilen sauber und schön“, sagte Helmut Horst von den einheimischen Naturfreunden. „Ihr drohen nur Gefahren wie sonst kaum einem anderen Strom.“ Das sei in erster Linie das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit, Nummer 17“. Es sieht den Ausbau der Wasserwege zwischen Wolfsburg, Magdeburg und Berlin für 185 Meter lange Rheinschiffe vor. Der Havelabschnitt zwischen der Stadt Brandenburg und Potsdam müsste stellenweise verbreitert und vertieft werden, was nach Meinung der Naturschützer erhebliche Nachteile für die Flora und Fauna und den Wasserhaushalt nach sich ziehen würde. Der Bedarf an so einer ausgebauten Wasserstraße sei überhaupt nicht vorhanden.

Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) hält Kompromisse zwischen der Schifffahrt, dem Tourismus und dem Naturschutz durchaus für möglich. Stets müsse das nötige Maß eingehalten werden, sagte er auf dem Festakt. Weite Strecken der Havel stünden ohnehin unter Naturschutz. Nirgendwo sonst in Mitteleuropa gebe es so ausgedehnte Feuchtgebiete wie an der Havel.

Allerdings hat sich der Fluss selbst in seinem weitgehend noch natürlichen Abschnitt zwischen Brandenburg und Rathenow seit den Schilderungen Fontanes doch erheblich verändert. Im vorjährigen Hitzesommer konnte von einem Fluss keine Rede mehr sein, da das Wasser fast auf der Stelle stand. „Heute fließt die Havel durchschnittlich mit einem Tempo von drei Kubikmetern pro Sekunde“, erklärte Rocco Buchta, Chef des Naturparks Westhavelland. „Das ist nur noch ein Drittel des Wertes von vor 100 Jahren.“ Lachse, Störe und Stichlinge kämen nur noch vereinzelt vor, von einer Havelfischerei könne schon lange keine Rede mehr sein.

Ursprünglich sollte das Bundesumweltministerium die Schirmherrschaft über den „Fluss des Jahres“ übernehmen. Doch es lehnte aus Rücksicht auf die von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe forcierten Ausbaupläne der Havel ab.

Auch Vertreter des Berliner Senats blieben dem Festakt in Fürstenberg sehr zur Enttäuschung der Naturfreunde fern, die auf den großen Berliner Anteil des Flusses hinwiesen. Von seiner Quelle bei Pieversdorf unweit der Müritz fließt die Havel zunächst nach Südosten. Nach einer großen Schleife in Richtung Osten wird mit dem Schwielowsee bei Werder der südlichste Punkt erreicht. In Berlin hat sie zuvor den Zufluss der Spree aufgenommen, die 60 Prozent der Wassermenge liefert. Nördlich von Havelberg mündet die Havel schließlich in die Elbe. Zwischen Quelle und Mündung liegen nur 90 Kilometer Luftlinie.

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