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Brandenburg: Gegen Milzbrand und gepanschtes Bier

Im neuen Landeslabor werden Lebensmittel auf Rückstände untersucht – aber auch verdächtige Pulver analysiert

Frankfurt (Oder). Brandenburg bündelt seine Kräfte zum Test von Lebensmitteln, Schlachtvieh, Tierblut und möglichen Giftstoffen ab sofort in Frankfurt (Oder). In einem ehemaligen Verwaltungsgebäude des nach der Wende aufgelösten Kombinates für Mikroelektronik eröffnete Agrarminister Wolfgang Birthler (SPD) am Montag dafür das neue Landeslabor. Es fasst die bisherigen Ämter für die Veterinär- und Lebensmitteluntersuchung zusammen. 375 Mitarbeiter analysieren hier und in den Außenstellen Cottbus, Potsdam, Oranienburg und Kleinmachnow vor allem Lebensmittel auf Inhaltsstoffe und Rückstände – aber auch verdächtige Pulver, die aus Briefen rieseln.

Das mehrstöckige Haus im Gewerbegebiet Markendorf am Frankfurter Stadtrand gleicht teilweise einem Hochsicherheitstrakt. Dicke Stahltüren lassen sich nur mit einem Code öffnen, blinkende Lampen signalisieren gefährliche Bereiche und überall warnen Schilder vor unbefugtem Betreten und Seuchengefahren. Ganz streng geht es in der Abteilung „Bio-Terrorismus“ zu. Hier landen beispielsweise auffällig gewordene Briefe, aus denen etwa weiße Körner rieseln oder deren Geruch Postbeamten allzu seltsam vorgekommen ist. Seit im Oktober 2001 in den USA ein Pulver mit Milzbrand-Sporen als biologischer Kampfstoff in Briefen verschickt worden war, ist man auch in Brandenburg davor auf der Hut: Seit der Eröffnung der Abteilung „Bio-Terrorismus“ im März vergangenen Jahres wurden bereits neun Briefe mit verdächtigem Pulver auf Milzbrand untersucht. Der Verdacht bestätigte sich jedoch in keinem Fall.

Beim Rundgang des Ministers durch die mit mehreren Schleusen gesicherten Labors heulen plötzlich die Sirenen. „Die Tür war wohl zu lange offen, so dass die Alarmgeräte ansprangen,“ erklärt Laborchef Roland Körber. In den Laboren muss permanenter Unterdruck herrschen, damit sich möglicherweise vorhandenen Keime nicht ausbreiten können. Die hier beschäftigten Angestellten stecken in einem luftdichten Anzug, der jeden Zentimeter Haut bedeckt. Selbst die Atemluft wird gefiltert. Das Labor, so Körber, könnte auch Erregern der Pest oder der Lungenkrankheit SARS auf die Spur kommen: „Wir besitzen die modernsten Geräte und erfüllen selbst strengste EU-Kriterien an staatliche Labore.“ Ein Beispiel für die Leistungskraft der Apparate: „Stellen Sie sich den Bodensee und ein Stück Würfelzucker vor. Wird dieses ins Wasser geworfen, können wir den Zucker bei einer Probe nachweisen.“

21,5 Millionen Euro lässt sich Brandenburg sein Labor jährlich kosten. Davon erwirtschaften die Mitarbeiter zwischen drei und vier Millionen durch Aufträge der Wirtschaft und anderer Behörden selbst. Im Unterschied zum Robert-Koch-Institut in Berlin und anderen Wissenschaftszentren wird hier allerdings nicht geforscht, sondern nur überwacht. Ob es die Untersuchung von griechischen Paprika auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ist oder die Kontrolle von geschlachteten Rindern auf BSE-Erreger. Dafür schicken Schlachthöfe und Tierärzte jährlich 50000 Proben nach Frankfurt. Das Fleisch trifft meist in den Nachmittags- und Abendstunden ein. Die Tests erfolgen dann nachts, damit am nächsten Morgen die Arbeit im Schlachthof fortgesetzt werden kann.

Außerdem untersuchen die Laboranten – zu 85 Prozent sind es Frauen – jährlich 500000 bis 600000 Proben von Tierblut, 180000 Milchlieferungen sowie 5000 Proben von Futtermittel und 15000 verschiedene Lebensmittel. Die Auswahl erfolgt in der Regel stichprobenartig, und bei einem einzigen Test können bis zu 350 Substanzen nachgewiesen werden.

In der Alkohol-Abteilung riecht es wie in einer Schnapsbrennerei. Dutzende geöffnete Wein-, Sekt- und Bierflaschen stehen herum, dazu die verschiedensten Substanzen in unzähligen Reagenzgläsern. In einer aufwändigen Prozedur testen die Angestellten hier den Alkoholgehalt und die Richtigkeit der Angaben auf den Etiketten über Zusatzstoffe. Denn auch die Überwachung des deutschen Reinheitsgebots bei Bier gehört zu den Aufgaben. Da hat beispielsweise die neueste Erfindung aus der Klosterbrauerei Neuzelle wenig Chancen auf Anerkennung. Das „Anti-Aging- Bier“, das auf der Grünen Woche seine Premiere erleben soll, enthält neben Gerste, Hopfen und Wasser einen eigentlich unerlaubten Zuckersirup – wie auch andere Biere dieser Brauerei. Der Sirup ist zwar auf dem Etikett verzeichnet, aber das zuständige Lebensmittelüberwachungsamt des Landkreises Oder- Spree – mit der Brauerei seit Jahren im Streit – wollte es genau wissen und schickte eine Flasche ins Labor. Nun weiß das Amt es genau. Und wird wohl die Bezeichnung „Bier“ verbieten.

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