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Brandenburg: Großes sowjetisches Ehrenmal soll keine Ehre mehr erfahren

Baufälligkeit oder ungeliebte Erinnerung? Treuenbrietzener Pläne sorgen für Schlagzeilen in MoskauVON CLAUS-DIETER STEYER TREUENBRIETZEN.

Baufälligkeit oder ungeliebte Erinnerung? Treuenbrietzener Pläne sorgen für Schlagzeilen in MoskauVON CLAUS-DIETER STEYER TREUENBRIETZEN.Die Kleinstadt Treuenbrietzen ist drauf und dran, diplomatische Verwicklungen zwischen Deutschland und Rußland auszulösen.Denn das Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten soll nach einem Beschluß der Stadtverordneten abgerissen werden.Es steht einer geplanten Neugestaltung des ursprünglich für die Opfer des deutsch-französischen Krieges 1870/71 angelegten Gedenkparkes im Wege.Ein solcher Abriß wäre ein bisher einmaliger Vorgang in Brandenburg.Die Berliner Außenstelle der Botschaft der Russischen Föderation, die von der Treuenbrietzener PDS auf die "folgenschweren Vorgänge" in der 70 Kilometer südwestlich Berlins gelegenen Stadt aufmerksam gemacht wurde, reagiert mit Zurückhaltung.Es werde auf Vorschläge zum Umgang mit dem Denkmal gewartet, hieß es aus der Pressestelle. Wie hoch der Streit um den sowjetischen Obelisken aber bereits angebunden ist, zeigte das Fernbleiben von Botschaftsvertretern auf einer zur Glättung der Wogen gedachten Veranstaltung der Grundtvig-Stiftung. Der Name der Kleinstadt geriet in der letzten Woche sogar auf die Titelseite der auflagenstarken "Moskauer Neue Nachrichten".Unter der Überschrift "Der den sowjetischen Soldaten gewidmete Obelisk wird beseitigt", zitiert der Artikel die entscheidenden Verträge zwischen Deutschland und der Sowjetunion beziehungsweise Rußland aus den Jahren 1990 und 1992.Danach verpflichtete sich die Bundesrepublik zum würdevollen Umgang mit den Gräbern und Friedhöfen.Die Denkmäler sind zwar davon ausgenommen, aber bisher ist noch keine der 826 Gedenkstätten für sowjetische Kriegstote im Osten entscheidend verändert worden.Hier fanden etwa 319 000 Menschen ihre letzte Ruhestätte. "Eine diplomatische Verwicklung wäre das letzte, was wir mit der Diskussion um den Obelisken erreichen wollen", sagt Treuenbrietzens Bürgermeister Karsten Cornelius (SPD).Es müsse möglichst ein Kompromiß gefunden werden."Doch um den Abriß des einsturzgefährdeten Denkmals werden wir nicht herumkommen." Es sei in den fünfziger Jahren aus Ziegeln und minderwertigem Waschbeton errichtet worden.Deshalb habe die Stadt auch schon die Gedenktafeln entfernen und Absperrgitter aufstellen müssen.Die PDS verhinderte mit einer Mahnwache und einer Verwaltungsgerichtsklage die komplette Zerstörung. Doch dem Obelisken fehlt im Moment offenbar mehr als nur Standfestigkeit."Die Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert ihn nicht, sondern lehnt ihn sogar als Heldenverehrung ab", sagt Bürgermeister Cornelius.In der Neukonzeption des Parks seien deshalb schlichte Stelen anstelle des großen Denkmals vorgesehen.Die überraschend starke Ablehnung des Obelisken durch die Treuenbrietzener liegt nach Meinung des Bürgermeisters in einem schrecklichen Ereignis in den letzten Kriegstagen begründet.Ein SS-Angehöriger hatte am 23.April 1945 aus einem Hinterhalt die eingerückten sowjetischen Soldaten mit einer Maschinenpistole beschossen und dabei einen Offizier getötet.Die Besatzungsmacht trieb daraufhin viele Männer und Frauen zusammen.Es wurde mit dem Tod gedroht, falls sich der Schütze nicht stellen würde.Doch das Ultimatum verstrich.Die Sowjetarmee erschoß die wahllos aufgegriffenen Zivilisten.Die Angaben über die Zahl der Opfer schwanken beträchtlich.Als nach der Wende das bis dahin mit einem Tabu belegte Thema wieder publik wurde, war von 75 Toten die Rede.Heute geht der Bürgermeister von der unglaublichen Zahl von 700 aus. "So ein Ort vergißt solch ein Drama nicht", sagt Cornelius.Der Streit um den Obelisken in Treuenbrietzen könne nicht mit Denkmälern in anderen Orten verglichen werden.

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