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Brandenburg: Haargenaue Diagnosen sind kein Zufall

Fallen täglich mehr als einhundert Haare aus, sollte der Hautarzt gefragt werden

Gesunde und volle Haare sind für Frauen und zunehmend auch für Männer ein wichtiger Bestandteil ihrer Attraktivität. Durch seine Fähigkeit zur Regeneration ist es in seiner Form und Farbe für eine gewisse Zeit wandelbar. Daraus ergibt sich eine breite Palette an Frisuren, die seit dem Altertum modische und kulturelle Phasen widerspiegeln. Aufgrund der großen Bedeutung des Haarkleids in der Gesellschaft, führt Haarausfall bei den Betroffenen häufig zu starker Verunsicherung und Angst.

Wenn täglich mehr als 100 Haare ausgehen, spricht man von Haarausfall. Über einen längeren Zeitraum kann dies zu sichtbaren haarlosen Stellen, zur so genannten Alopezie führen. Die häufigste Form von Haarausfall bei Frauen und Männern ist der erblich bedingte Haarausfall, die so genannte androgenetische Alopezie oder männliche Glatzenbildung.

Bis zum 80. Lebensjahr sind zirka 30 Prozent der Frauen und zirka 80 Prozent der Männer davon mehr oder weniger stark betroffen. Nicht immer wird ein starker Haarausfall von den Betroffenen sofort bemerkt. Vielmehr fallen ihnen das Entstehen von Geheimratsecken oder das Breiterwerden des Scheitels auf. Das Zusammenspiel von Erbfaktoren und der eigenen Hormonproduktion der Kopfhaare ist hierbei von entscheidender Bedeutung.

Bei der androgenetischen Alopezie ist der Hormonspiegel im Blut normal. Diese erbliche Form von Haarausfall sollte vor allem bei jungen Frauen mit Zyklusstörungen, fettiger Haut, Akne oder verstärkter Körperbehaarung von einem tatsächlich hormonell bedingten Haarausfall abgegrenzt werden. Beide Formen von Haarausfall sehen sich zum Verwechseln ähnlich, werden aber unterschiedlich behandelt. Bei rein erblicher Ursache werden bei der Frau vor allem Minoxidil-haltige Tinkturen eingesetzt.

Alternativ kommen Östrogen-Tinkturen zum Einsatz. Bei Männern kann ebenfalls örtlich mit Minoxidil-Tinktur behandelt oder eine Tablette mit Finasterid eingenommen werden. Liegt bei der Frau tatsächlich eine hormonelle Erkrankung zugrunde, so steht deren meist innerliche Behandlung im Vordergrund.

Generell gilt: Haarausfall ist ein ernstzunehmendes Symptom, hinter dem eine Vielzahl von Ursachen stecken kann. Eine frühzeitige Klärung bei einem Hautarzt ist wichtig und von einer Selbstdiagnose ist unbedingt abzuraten. Je früher die Ursache des Haarausfalls gefunden wird, desto besser sind die Behandlungserfolge. So vergeht oft viel Zeit, in der die Betroffenen sich mit Haartinkturen oder Nahrungsergänzungsmitteln behandeln, die gegen Haarausfall helfen sollen. Um die Art des Haarausfalls und mögliche Ursachen genauer zu bestimmen, wird der Hautarzt den Patienten zunächst untersuchen und befragen.

Mittels „Trichogramm“ lassen sich ausgezupfte Haare mikroskopisch untersuchen und das Verhältnis der ausfallenden zu wachsenden Haaren zu bestimmen. Einen neue video- und computerunterstützte Haaruntersuchung – der „TrichoScan“ – geben nicht nur für die Diagnostik, sondern auch für den Behandlungsverlauf wertvolle Hinweise. Allerdings unterscheiden sich diese Untersuchungen von den zahlreichen kommerziell angebotenen Haaranalysen, mit denen die Zusammensetzung der Haare bestimmt wird.

Diese Analysen sind für den Hautarzt nicht hilfreich und führen in der Abklärung nicht weiter. Gerade die ärztlichen Haaruntersuchungen können so andere Formen von Haarausfall erkennen, wie zum Beispiel den diffusen Haarausfall, welcher nach einer schweren Infektion, aber auch bei einer Stoffwechselstörung wie einer Schilddrüsenerkrankung auftreten kann. Ursache können auch bestimmte Medikamente wie Antibiotika, Antidepressiva, Betablocker, Chemotherapie, oder Schmerzmittel sein. Dann sollte man mit dem behandelnden Arzt medikamentöse Alternativen besprechen.

Eine Mangelernährung bei einer extrem einseitigen Diät, kann eine ausreichende Nährstoffversorgung der Haarwurzeln verhindern, so dass die Haare vorzeitig ausfallen. So kann ein Eisenmangel das gesunde Haarwachstum beeinträchtigen. Dann muss die Ernährung normalisiert und eventuell Nahrungsergänzungsmittel verabreicht werden. Der „kreisrunde Haarausfall“, die Alopecia areata, tritt meist sehr plötzlich auf. Man findet runde kahle Herde an der Kopfhaut oder an anderen Körperstellen und die Haare gehen büschelweise aus.

Der Alopecia areata liegt eine Autoimmunreaktion gegen die eigenen Haarwurzeln zugrunde, die vererbt werden kann. Dabei wird das Haarwachstum derart stört, dass das Haar vorzeitig abgestoßen wird. Bei rund der Hälfte der Betroffenen können auch ohne Therapie die Haare nach zirka sechs Monaten spontan wieder nachwachsen. Leider kann es auch zum Fortschreiten oder auch zu Rückfällen kommen. Die Therapien reichen von einer örtlichen Kortison-Behandlung, über Kortison-Einnahme bis zu einer speziellen Reiztherapie.

Bei Haarausfall gilt vor allem: Die Patienten müssen Geduld haben. Ein Erfolg in Gestalt des Wiederwachstums von Haaren kann durchaus erst drei Monate nach Beginn der Behandlung eintreten, denn Haare haben einen ganz individuellen Wachstumsrhythmus, der nicht leicht zu beeinflussen ist.

Dr. Natalie Garcia Bartels ist Oberärztin und stellvertretende Leiterin des Haarkompetenzzentrums in der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Charité Berlin

Natalie Garcia Bartels

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