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Brandenburg: Hämmern für einen Hungerlohn

Vorwurf von Ex-Häftingen: Sie mussten im Gefängnis für wenig Geld Privataufträge von Justizbeamten ausführen

Brandenburg/Havel. Wenn Justizbeamte in krumme Geschäfte im Knast verwickelt sind, wird das außerhalb selten bekannt. Es sei denn, Gefangene packen nach ihrer Entlassung aus. Genau das passierte jetzt der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel: Zwei ehemalige Gefangene erhoben im ORB-Fernsehen Anschuldigungen gegen vier Bedienstete des größten Gefängnisses des Landes. Jahrelang haben demnach die Insassen in der Schlosserei und Tischlerei Metallgegenstände für den Privatbedarf der Beamten angefertigt. Und zwar unentgeltlich oder für eine sehr geringe Summe. Falls sich die Vorwürfe bestätigen, will Justizministerin Barbara Richstein (CDU) die Bediensteten entlassen. Noch laufen aber die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam. Vorwurf: Verdacht der Unterschlagung.

„Die Arbeit gleicht einem Puzzle-Spiel“, sagt Ralf Roggenbuck, Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft. „Materiallisten, Rechnungen, Quittungen und Arbeitsstundenabrechnungen müssen bis in das Jahr 1998 zurückverfolgt werden, um Unregelmäßigkeiten feststellen zu können.“ Manche Arbeiten in den Werkstätten der Vollzugsanstalten seien von den Beamten bezahlt worden, andere augenscheinlich nicht. Zumindest wissen die Fachleute, um welche Gegenstände es sich dabei handeln soll: Räucheröfen und Briefkästen aus Edelstahl, Gartengrille, Gestelle für Wendeltreppen, Kerzenständer, Kessel, Verzierungen für Zäune und sogar um einen Jägerhochsitz.

Ein Beamter soll nach Angaben eines früheren Gefangenen sogar die Anfertigung eines großes Schwertes in Auftrag gegeben haben. Bei der Durchsuchung der Wohnungen von drei Verdächtigen wurde die Waffe jedoch nicht gefunden. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um ein Dekorationsschwert, das zum Schmuck an Wände gehangen wird. Es hätte auch durchaus als Schlag- und Stichinstrument dienen können. „In einer Schlosserei innerhalb eines Gefängnisses besteht zu jeder Zeit die Gefahr, dass ein spitzer Gegenstand illegal hergestellt wird“, sagte Sprecher Roggenbuck. Jedoch sei die Herstellung eines Schwertes mit Sicherheit von der Anstaltsleitung nie genehmigt worden. Der Preisunterschied zwischen dem „Knastschwert“ und vergleichbaren Angeboten in Katalogen und Fachgeschäften liegt bei mehreren Hundert Euro.

Auch für die anderen Gegenstände zahlten die Bediensten, wenn überhaupt, nach der Erinnerung der beiden Gefangenen nur einen Bruchteil: den Räucherofen gab es beispielsweise für 39 Euro, eine Schlosserei verlangt dafür 3990 Euro. Ein Fahrradständer kostete hinter den Gefängnismauern nur 30 statt 170 Euro, den Treppenträger aus Stahl sicherte sich ein Beamter für 39 Euro, im Fachgeschäft hätte er 4000 Euro bezahlen müssen. Bei manchen Geschäften deckte die bezahlte Summe nicht einmal den Materialeinsatz. Grundsätzlich sei die geringere Bezahlung von Insassen nicht regelwidrig, heißt es im Justizministerium. „In den Eigenbetrieben der Justizvollzugsanstalten liegen Preise und Löhne mit Absicht weit unter den normalen Tarifen“, erklärt Pressesprecherin Petra Marx. „Denn wir sind an Arbeit für die Insassen als Teil der Resozialisierung stark interessiert. Da aber die Anfragen von außerhalb stark zurückgingen, sind wir auch an Aufträgen durch die Bediensteten interessiert. Sie erhalten noch gesonderte Vergünstigungen“. Bei Missbrauch der Regelung müssten die Beamten allerdings mit drakonischen Maßnahmen rechnen.

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