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Brandenburg: Hanfwirtschaft: Nicht berauschend

Vor fünf Jahren legalisierte die EU den Anbau von Nutzhanf. Im Havelluch und in der Uckermark ließen mutige Bauern Cannabisblätter in den märkischen Himmel wuchern, und die Berliner Szene feierte enthusiastisch die "erste deutsche Hanfernte seit 35 Jahren".

Vor fünf Jahren legalisierte die EU den Anbau von Nutzhanf. Im Havelluch und in der Uckermark ließen mutige Bauern Cannabisblätter in den märkischen Himmel wuchern, und die Berliner Szene feierte enthusiastisch die "erste deutsche Hanfernte seit 35 Jahren". Doch nach euphorischem Start und zäh erkämpften Anfangserfolgen steckt die Hanfwirtschaft in Brandenburg derzeit in einer Krise. Die Anbaufläche ging nach stetem Wachstum im Jahr 2000 rapide zurück - von 789 auf 400 Hektar. Eine geplante Millionen-Investition in Elsterwerda zur Weiterverarbeitung von Hanffasern für die Autoindustrie wurde auf Eis gelegt.

Und die bestehenden Fabriken in Zehdenik und Prenzlau kämpfen mit steigenden Anbaukosten und einer schwachen Nachfrage vor allem in der Bauindustrie. Ursachen für die Krise gibt es reichlich, sagen die Experten. Ganz oben auf der Liste steht die Förderpolitik der EU. Brüssel hat die "Verarbeitungsbeihilfe" für die Hanf-Bauern von 1300 Mark pro Hektar abgeschafft. "Bei Flachs sieht es ähnlich aus", sagt Jens-Uwe Schade vom Potsdamer Landwirtschaftsministerium. "Die EU-Förderung ist hier nicht sehr geschickt." Die Politik fordert seit Jahren die Bauern auf, nachwachsende Rohstoffe anzupflanzen. Aus Hanf lässt sich praktisch alles herstellen. Aus den Samen wird Öl gepresst, aus den Halmen werden Fasern gewonnen, die zu Textilien oder Dämmstoffen verwoben werden können. Und doch fehlt für viele Produkte ein Absatzmarkt. Zudem sind die Zulassungs- und Kontrollrichtlinien beim Hanfanbau sehr streng.

In Prenzlau steht die bislang einzige Fabrik im Land, die Hanfstroh direkt vom Feld zu Rohfasern verarbeitet und damit die Baustoffindustrie beliefert. Rund 200 Tonnen werden pro Monat verarbeitet - das entspricht einem Flächenbedarf von rund 300 Hektar. Im vergangenen Jahr seien einige Bauern abgesprungen, sagt Geschäftsführer Rainer Nowotny. Um den verbliebenen Landwirten die entgangenen Subventionen zumindest teilweise zu ersetzen, habe man die Produktionskosten gedrückt. In diesen Tagen werden die Verträge für die neue Saison ausgehandelt - in einem Monat beginnt die Aussaat. "Die verarbeitenden Firmen brauchen Hanf-Anbau im Umkreis von 50 Kilometern", sagt Peter Henschke, Geschäftsführer des Naturfaserverbundes, der 34 Firmen vertritt. Im Fall der geplanten Hanffabrik in Elsterwerda hätte man 700 Hektar Hanf-Anbau in der Umgebung nachweisen müssen, um an die Kredite zu kommen. Ist der Anbau vor Ort nicht gewährleistet, müssen Hanffasern aus Osteuropa oder Südostasien eingeführt werden.

Die "Spremberger Tuche", eine Firma zur Veredelung von Textilgeweben, hatte sich Mitte der 90er Jahre auf Hanffasern spezialisiert. Ende 1998 verabschiedete man sich wieder aus dem vielversprechenden Markt. "Der Durchbruch ist ausgeblieben. Wir hatten zwar einen sehr guten Einstieg, blieben aber immer auf Importe aus China und Rumänien angewiesen.", sagt Geschäftsführerin Christine Herntier. In Deutschland gebe es keine geeignete Anlage, um aus rohen Pflanzenfasern ein hochwertiges Garn zu spinnen. Und bei den Importen habe es hohe Währungs- und Qualitätsrisiken gegeben. Die Hanffabrik in Zehdenick profitiert gegenwärtig von der Angst vor der Maul- und Klauenseuche - so zynisch das klingt. Dort werden saugstarke Hanf-Matten produziert, die sich gut zur Desinfektion eignen. Bei den Dämmstoffen für die Bauwirtschft verzeichnet Geschäftsführer Christian Krasemann jedoch eine eher "mittelmäßige" Nachfrage.

"Die Spreu hat sich vom Weizen getrennt", resümiert Peter Oeltze von Lobenthal vom Berliner Hanfhaus die Gesamtlage. Das Hanfhaus, überwiegend mit dem Vertrieb von Hanf-Produkten beschäftigt, hat die Krisenjahre schon hinter sich. Im ersten Quartal 2001 verzeichnete man einen Umsatzanstieg von 20 Prozent im Vergleich zum bisherigen Spitzenjahr 1998. Aber auch von Lobenthal beklagt die technische Lücke in der Verarbeitungskette. "Es fehlen 25 bis 30 Millionen Mark, um diese Lücke zu schließen." Doch dieses Geld wolle niemand aufbringen. Der Fasermarkt werde von der petrochemischen Industrie beherrscht, die kein Interesse an nachwachsenden Rohstoffen habe. Der Hanfbranche mit Umsätzen im einstelligen Millionen-Bereich fehlt es an Kapital für größere Investitionen. Auch für die wichtige Lobby-Arbeit ist kein Geld da. Damit war 1994 die Hanf-Gesellschaft mit Sitz im Internationalen Handelszentrum an der Berliner Friedrichstraße betraut worden. Dort ist sie nicht mehr aufzufinden. Die Gesellschaft existiere noch, so von Lobenthal, praktisch sei sie aber längst tot.

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