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Brandenburg: Hans-Joachim Giersberg im Gespräch: "Ich bin nicht sicher, dass Potsdam seine Rolle wirklich begriffen hat"

Hans Joachim Giersberg (62), seit 1995 Generaldirektor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, gilt als strenger Bewahrer historischer Bauten.In diesem Jahr feiert Sanssouci 300 Jahre Preußen.

Hans Joachim Giersberg (62), seit 1995 Generaldirektor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, gilt als strenger Bewahrer historischer Bauten.

In diesem Jahr feiert Sanssouci 300 Jahre Preußen. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?

Wir pflegen ein Kulturerbe. Nicht umsonst wird "Preußen" im Namen der Schlösserstiftung geführt. Aber ich bin dagegen, aus solchen Jubiläen riesige Jubelfeiern zu machen.

Ist die Stiftung für das Jubiläum gerüstet?

Wir wollen gleich fünf rekonstruierte Häuser wiedereröffnen: Das Schloss Oranienburg am 17. Januar, am Vorabend der offiziellen Jubiläumsfeier von Berlin und Brandenburg. Außerdem werden das Belvedere auf dem Pfingstberg und der Turm auf dem Ruinenberg eingeweiht. Dann wird Schloss Paretz eröffnet, im September folgt das Belvedere auf dem Klausberg. Das ist wirklich ein Mammutprogramm.

In diesem Jahr findet auch die Bundesgartenschau in Potsdam statt. Können die Schlösser und Gärten den Massenansturm überhaupt verkraften?

Bei den Schlössern gilt die eiserne Regel: Es dürfen so viele Besucher rein, wie verkraftet werden können. Bildergalerie, Neue Kammern, Neues Palais haben durchaus noch etwas Luft für zusätzliche Gäste. Aber Schloss Sanssouci wird mehrfach ausverkauft sein, es werden nicht alle hineinkommen.

Mancher Buga-Besucher wird gern auf einer der weitläufigen Schlosspark-Wiesen ein Sonnenbad nehmen wollen. Werden Sie das Reglement lockern?

Die Stiftung wird die Parkordnung nicht wegen der Buga ändern. Die Parks sind Kunstwerke. Die großen Langgraswiesen, die nur zwei mal jährlich aus ökologischen Gründen gemäht werden, dürfen nicht zertreten oder zerlagert werden.

Werden vor dem Hintergrund des Preußenjubiläums Staatsgäste verstärkt in die Potsdamer Schlösser geführt?

Im zurückliegenden Jahr hat sich die Nutzung der Schloss- und Parkanlagen für repräsentative Zwecke in Grenzen gehalten. So soll es auch bleiben, ich denke, das hat sich eingespielt.

Vor zehn Jahren wurde die Potsdamer Kulturlandschaft in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen. Sind die Gefahren durch kommunale Bausünden endgültig gebannt?

Die Stadt ist im Umgang mit dem Welterbe wesentlich sensibler geworden. Es gibt ein paar Konfliktfelder. Aber wir versuchen, diese im Vorfeld zu klären.

Sind Ihre Bedenken, das Potsdam-Center zu Ende zu bauen, ausgeräumt?

Ja, weil das Vorhaben umgeplant wurde. Das Potsdam-Center wird nicht mit der vorgesehenen Masse, die den Durchblick von Babelsberg beeinträchtigt hätte, weitergebaut.

Früher beklagten Sie, dass der Bauboom den Schlossanlagen die Luft zum Atmen nimmt. Eigentlich müssten sie froh sein, dass sie heute nur noch über Badende im Heiligen See zu klagen haben?

Es ist ein ernstes Problem. Von den Parkwiesen - auf ökologischen Karten als besonders wertvoll ausgewiesen - bleibt da nicht viel übrig. Die Parkanlage ist nicht als Badeanstalt gebaut worden.

Sie gelten als strenger Sanssouci-Hüter, kann man Sie in diesem Punkt nicht milde stimmen?

Wenn sich der Badebetrieb in Grenzen hielte, würde man ihn tolerieren können: Aber er dehnt sich immer mehr aus und geht ins Zerstörerische. Wir sind Weltkulturerbe und keine Badeanstalt für Potsdam und Berlin.

Ist der Vandalismus in den Schlossparks nicht eine größere Gefahr als das wilde Baden am Heiligen See?

Man kann das nicht vergleichen. Beides ist für ein Welterbe nicht zuträglich.

Kann man die Schlösser nicht mit Videokameras schützen?

Etwas abseits gelegene Schlösser wie Caputh und Königs Wusterhausen werden bereits per Videokameras überwacht. Aber wenn es notwendig werden sollte, werden wir auch andere Schlösser mit Videokameras überwachen.

Das Neue Palais ist das größte Schloss der Stiftung. Stimmt es, dass seine Sanierung, bleibt es bei den bisherigen Mitteln, noch 70 Jahre dauern würde?

Ja. Auch wenn das Neue Palais keine vom totalen Verfall bedrohte "Hütte" ist, muss es wie die anderen Schlösser in Ordnung gebracht werden.

Woher soll das Geld für seine Restaurierung kommen?

Es gibt theoretisch zwei Möglichkeiten: Die eine ist, dass wir über Jahre oder gar Jahrzehnte all unsere Baumittel auf das Neue Palais konzentrieren. Dies hätte den Nachteil, dass die Kontinuität beeinträchtigt würde. Wir haben fast 60 Baustellen, auch weil kleinere Schäden in unseren Bauten nicht erst zu größeren auswachsen sollen, wie es früher leider der Fall war. Deshalb haben wir immer noch einen so großen Nachholbedarf. Sinnvoll wäre deshalb, dass mit dem neuen Finanzierungsabkommen ab 2004 eine größere Summe speziell für das Neue Palais festgeschrieben wird.

Wie groß ist der Sanierungsbedarf der Schlösser?

Seit 1990 sind mehr als 150 Millionen Mark in die Restaurierung der Schlösser und Parkanlagen geflossen, dabei sind Sponsorengelder nicht mitgerechnet. Wir werden diese Summe sicher noch einmal brauchen, davon bestimmt 100 Millionen für das Neue Palais.

Aber Potsdam hat nach wie vor keine Mitte. Der Aufbau des Schlosses als Kongresszentrum mit Hotel ist bisher nur angedacht. Eine akzeptable Lösung für Sie?

Ob ein Kongresszentrum allein Potsdams verlorene Mitte mit urbanem Leben erfüllen kann, bezweifle ich. Da fährt alles rein und ist wie ein Bienenschwarm verschwunden. Die Mitte muss mehr sein. Sie muss eine Struktur haben, die im weitesten Sinne rund um die Uhr funktioniert, wo die Leute auch abends hingehen können. Die frühere Kombination war phantastisch: Die Kirche, das Rathaus, das Schloss.

Kennen Sie ein Beispiel, wo sich eine moderne Fassade in Filigranität, Proportion, Ästhetik mit der alten Baukunst messen kann?

Der Einsteinturm ist neben Sanssouci Potsdams berühmtestes Bauwerk und zum Symbol moderner Architektur geworden. Er hat anfangs auch nicht Furore gemacht. Aber es stimmt, dass ein Dilemma besteht: Ich habe bisher nirgendwo moderne Architektur gesehen, die mich für den Alten Markt überzeugt hätte. Das Problem moderner Architektur ist, dass sie keine Urbanität erzeugt. Deshalb fahren alle so nostalgisch auf die alten Fassaden ab.

Und was spricht dagegen?

Die Frage ist, was man aus Potsdams Stadtmitte machen will. Wenn man wirklich ein Kongresszentrum will, wird es besser in einen passend geschneiderten modernen Bau passen, anstatt in eine alte Kiste gezwängt zu werden. Es wird oft vergessen, dass das Stadtschloss ein relativ schmaler Bau war.

Muss man nicht fragen, ob das Risiko eines modernen Experimentes an dieser neuralgischen Stelle überhaupt vertretbar ist?

Wenn man sich für den Schlossaufbau entscheidet, ist es eine Rekonstruktion. Dann darf man nicht sagen: Hier bauen wir mal ein Stückchen weiter an, hier verschieben wird die Wände, den Innenhof überdachen wir. Dann muss es schon der alte Baukörper in den alten Proportionen sein. Meinetwegen wegen der Kosten auch ohne Skulpturen. Das verträgt der Bau durchaus.

Sie haben in der Vergangenheit gemahnt, dass Potsdam seine Rolle als Kulturstadt suchen müsse. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?

Was die Bausubstanz angeht, ja. Auch das Ansiedeln von kleineren Instituten - gerade auch am Neuen Markt - läuft ganz gut. Ich denke auch, dass der Bau des neuen Theaters, das als moderner Baukörper an der Schiffbauergasse entsteht, richtig ist. Potsdam hat es nie einfach gehabt, neben dem großen prosperierenden Berlin zu bestehen.

Und die Wermutstropfen?

Ich bin nicht sicher, dass Potsdam seine Rolle, das Wechselspiel mit Berlin, wirklich begriffen hat: Es kann Berlin keine Konkurrenz machen. Aber es kann die kleine und feine Schwester Berlins werden. Darauf sollte Potsdam stärker hinarbeiten.

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