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© dpa

Hedwig Bollhagen: Potsdam verzichtet auf Bollhagen-Museum

Die Verhandlungen über den Nachlass der Künstlerin sind offenbar gescheitert. Nun melden Velten und Oranienburg ihr Interesse an.

Marwitz/Potsdam – Ganz langsam balancieren die Kunden auf dem schmalen Weg zwischen Werkstatt und Parkplatz. Nicht nur das Eis zwingt sie dazu, sondern auch der zerbrechliche Einkauf in ihren Taschen. Kein Stück soll beim Herunterfallen zerbrechen, denn dann wäre der Ausflug nach Marwitz am nordwestlichen Berliner Stadtrand umsonst gewesen. Die Leute stützen sich gegenseitig und packen auch beim Schieben der Autos vom glatten Parkplatz mit an. „Alles für HB“, sagt ein Berliner lächelnd. „Nur deswegen tun wir uns das an.“ Die anderen Kunden pflichten ihm nickend bei.

Hedwig Bollhagen, die 2001 verstorbene und mit „HB“ abgekürzte Künstlerin, besitzt nach wie vor eine große Anhängerschaft. Die scheut auch bei schwierigen Wetterverhältnissen nicht den Weg zum Werkstattverkauf in Marwitz und deckt sich mit Geschirr, Vasen oder Tassen mit den geometrischen Mustern und den blau-weißen Streifen ein.

Ein ausgelegter Flyer enthält allerdings eine falsche Ankündigung: „Ab Mitte 2008 würdigt ein eigenes Museum im Haus ‚Im Güldenen Arm‘ in Potsdam das Lebenswerk von Hedwig Bollhagen.“ Denn fast zwei Jahre später hat sich noch nichts getan und es sieht auch nicht danach aus, dass die Brandenburgische Landeshauptstadt jemals den Nachlass der Künstlerin zeigt.

Ein letztes entscheidendes Gespräch zwischen der Nichte Hedwig Bollhagens, Silke Resch, sowie Vertretern der Bollhagen-Stiftung und dem Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs am vergangenen Freitag sollte Klarheit schaffen. Doch das Ergebnis soll erst am morgigen Dienstag verkündet werden. Diese Tatsache und Informationen aus dem Umfeld der Beteiligten lassen nichts Gutes für Potsdam ahnen. Gute Chancen für die Dauerausstellung werden eher dem Ofen- und Keramikmuseum in Velten sowie der Stadt Oranienburg eingeräumt.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die den Nachlass verwaltet, verweist gern auf ihre 2009 getroffene Begründung zur Absage an das ursprüngliche Museumsprojekt: „Die zwischen der Stadt Potsdam und der Hedwig-Bollhagen-Stiftung unter Mitwirkung der Hedwig-Bollhagen-Gesellschaft vereinbarte Zusammenarbeit ließ sich in der Praxis nicht durchführen, da sich unterschiedliche Vorstellungen von der Umsetzung des Museums in Form und Inhalt entwickelt hatten.“ Eventuell spielt Geld eine nicht geringe Rolle. Der Landkreis Oberhavel, in dem Velten und Oranienburg liegen, hat eine finanzielle Förderung eines Bollhagen-Museums in Aussicht gestellt.

Viele Diskussionen drehten sich in der Vergangenheit aber auch um die 2008 durch eine Fernsehdokumentation angestoßene Debatte zum Wirken Bollhagens zwischen 1933 und 1945. Demnach soll die Künstlerin eine bewusste Nutznießerin der „Arisierung“ der Werkstätten von jüdischen Eigentümern gewesen sein. Potsdam hatte daher eine Studie beim Zentrum für zeithistorische Forschung in Auftrag gegeben, die aber zu dem Schluss kam: „Hedwig Bollhagen war weder Anhängerin noch Förderin des Nationalsozialismus, profitierte aber wirtschaftlich von den antijüdischen Bedingungen ihrer Zeit.“ Deshalb wollte die Stadt die Ausstellung mit einem Kapitel über Bollhagens Wirken nach 1933 ergänzen.

Konkret geht es um die Würdigung der Arbeiten von Grete Heymann-Loebenstein, bis 1934 künstlerische Leiterin der Werkstatt in Marwitz. Die Nazis hatten sie mit massivem Druck zur Veräußerung des Betriebs gedrängt. Ein NSDAP-Mitglied erwarb ihn 1934 weit unter Wert und verschaffte Bollhagen die Stelle.

Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke würde gern das Amtshauptmannhaus in der Nähe des Schlosses mit der Bollhagen-Ausstellung füllen. Das älteste Bürgerhaus der Stadt beherbergte im Vorjahr die Gesellschaft für die Landesgartenschau. „Wichtig ist, dass die Keramikausstellung in den Kreis Oberhavel kommt, wo Hedwig Bollhagen wirkte“, sagte Laesicke.

Der Brandenburgische Museumsverband plädiert dagegen für das Ofen- und Keramikmuseum Velten. Es liege in unmittelbarer Nähe zu den Marwitzer Werkstätten der Künstlerin und biete gute Möglichkeiten, Geschichte, Handwerk und Technik, Kunstgewerbe und Kunst miteinander zu verbinden.

Die Kunden in den HB-Werkstätten kümmert die Diskussion wenig. Sie kaufen gern, getreu dem Motto Bollhagens: „Kunst? Ach ja, manche nennen es so; ich mache Teller, Tassen und Kannen . . .“.

HB-Werkstätten für Keramik, Hedwig-Bollhagen-Straße 4, Marwitz, Tel. 03304/39800, www.hedwig-bollhagen.de, Werkstattverkauf mittwochs 9 bis 17 Uhr, sonnabends 10 bis 14 Uhr.

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