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Brandenburg: Hetzjagd-Prozess: Chronik eines bizarren Verfahrens

Juni 1999. Der Prozess beginnt mit Befangenheitsanträgen mehrerer Verteidiger gegen die Richter der 3.

Juni 1999. Der Prozess beginnt mit Befangenheitsanträgen mehrerer Verteidiger gegen die Richter der 3. Großen Strafkammer. Alle Anträge werden abgewiesen.

Juni 1999. Am zweiten Tag des Prozesses verkündet Staatsanwalt Günter Oehme, die Anklage gehe "mit keiner Silbe" von einer tödlichen Hetzjagd aus. Außerdem sei keine Rede von rechtsextremen Straftätern. In der von Oehme unterschriebenen Anklageschrift heißt es jedoch, die Angeklagten hätten Farid Guendoul und seine Begleiter verfolgt und dabei "haßerfüllt Parolen" gebrüllt - wie "Ausländer raus" und "Türken raus".

August 1999. Der Beginn eines Verhandlungstages verzögert sich, weil ein Angeklagter verspätet eintrifft. Ein Verteidiger stellt den Antrag, die Nebenkläger (Mutter und Bruder des toten Farid Guendoul sowie dessen Begleiter in der Hetzjagd-Nacht, Khaled Bensaha und Issaka Kaba) von der Hauptverhandlung auszuschließen. Die Strafkammer lehnt dies später ab.

September 1999. Wiederum verspätet sich ein Angeklagter. Ein zweiter ist laut Verteidiger krank und kann nicht kommen. Der Anwalt präsentiert ein Fax des Arztes seines Mandanten, in dem diesem Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt wird. Doch nach zwei Stunden taucht der Angeklagte auf und sagt, er sei verhandlungsfähig.

September 1999. Mehrere Verteidiger behaupten in einem Antrag, das Todesopfer der Hetzjagd sei nicht Farid Guendoul. Deshalb müssten Mutter und Bruder als Nebenkläger vom Prozess ausgeschlossen werden. Die Strafkammer weist den Antrag ab.

September 1999. Wegen der Verspätung eines Angeklagten verzögert sich der Beginn der Hauptverhandlung.

Oktober 1999. Ein Angeklagter entschuldigt sich bei dem Algerier Khaled Bensaha für den "Irrtum", ihn in der Hetzjagd-Nacht getreten zu haben. Anschließend wird der Angeklagte bedroht und im April 2000 überfallen. Die (angeblich) unbekannten Schläger misshandeln auch einen Mitangeklagten, der ebenfalls aussagen wollte.

November 1999. Ein Verhandlungstag muss nach zehn Minuten abgebrochen werden. Zwei Verteidiger haben die Kammer zu spät informiert, dass sie verhindert sind.

November 1999. Erneut wird ein Verhandlungstag nach wenigen Minuten beendet. Diesmal beanstandet ein Verteidiger per Antrag die engen Sitzverhältnisse im Gerichtssaal. Er könne seinen Mandanten nicht sehen. Dieser sitzt 40 Zentimeter von dem Anwalt entfernt. Schließlich wird noch im November ein Podest für die hintere Reihe der Angeklagten und Verteidiger eingebaut.

November 1999. Ein Verteidiger beantragt, den Algerier Khaled Bensaha, Begleiter von Farid Guendoul in der Hetzjagd-Nacht, erneut zu hören und die Asylakten der beiden Flüchtlinge beizuziehen. Bei der Befragung werde sich herausstellen, Bensaha und Guendoul seien in Algerien so stark verfolgt worden, dass sie nicht in der Lage waren, in der Hetzjagd-Nacht "vernünftige, angemessene Reaktionen" zu zeigen. Das Gericht weist den Antrag auf Anhörung von Bensaha ab, bewilligt aber die Beiziehung der Asylakten. Ein Beleg für die Behauptungen des Anwalts findet sich nicht.

Dezember 1999. Ein Angeklagter kommt zu spät.

Januar 2000. Drei Angeklagte beteiligen sich in der Neujahrsnacht an einem rechtsextremen Aufzug in Guben und werden von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Januar 2000. Ein Angeklagter verspätet sich.

Januar 2000. Eine Zeugin berichtet, sie sei unter Druck gesetzt worden. Ihr Bruder habe eine anonyme Morddrohung erhalten.

Januar 2000. Erneut verzögert sich der Beginn eines Prozesstages, weil ein Angeklagter nicht rechtzeitig erscheint.

Februar 2000. Ein Angeklagter schändet in Guben den Gedenkstein für Farid Guendoul, ein zweiter schaut zu. Im Juni sagt ein Polizist im Prozess, er habe mit einem Kollegen die Tat beobachtet, sie seien aber aus "taktischen Gründen" nicht eingeschritten.

März 2000. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse wird für seine Bemerkung, die Dauer des Prozesses sei "skandalös", von Juristenverbänden und Brandenburgs Justizminister Kurt Schelter heftig kritisiert.

März 2000. Der Beginn eines Prozesstages verzögert sich, weil ein Angeklagter verspätet erscheint.

März 2000. Mehrere Verteidiger starten eine neue Serie von Befangenheitsanträgen, die Verlesung von Vernehmungsprotokollen soll verhindert werden. Die kurz nach der Hetzjagd festgenommenen Angeklagten hatten sich gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft zur Tat geäußert. Alle Befangenheitsanträge werden abgewiesen.

April 2000. Ein Angeklagter versetzt einem dunkelhäutigen Mann in Guben einen Faustschlag ins Gesicht.

Juli 2000. Ein Verteidiger beantragt die Einstellung des Prozesses - wegen der langen Dauer. Der Antrag wird abgewiesen.

August/September 2000. Mehrere Verteidiger äußern den Verdacht, Farid Guendoul und seine zwei Begleiter seien in der Hetzjagd-Nacht geflüchtet, weil sie als mutmaßliche Drogendealer oder Sozialhilfe-Betrüger gesucht wurden. Der Staatsanwaltschaft Cottbus ist allerdings kein Verfahren gegen die drei Asylbewerber bekannt.

Oktober 2000. Noch einmal muss das Gericht auf einen Angeklagten warten, der zu spät eintrifft.

Zusammengestellt von Frank Jansen

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