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Der Pegel steigt. Noch sieht es an der Oder, hier bei Lossow südlich von Frankfurt, harmlos und idyllisch aus. Das könnte sich bald ändern. Foto: Pleul/dpa

© dpa

Hochwasserwarnung in Brandenburg: Härtetest für die Deiche

Die Einschätzungen, wie schlimm das Hochwasser in Brandenburg wird, ändern sich täglich. Nachdem zuletzt Entwarnung gegeben wurde, spricht Regierungschef Matthias Platzeck nun doch von ernster Gefahr an der Oder.

Potsdam - Die Sorgen vor einer neuen Oder-Flut wachsen – und das schneller als die Pegel: Nachdem die Signale bisher eher auf Entwarnung standen, rechnet Brandenburgs Landesregierung inzwischen doch mit einer „ernsten“ Hochwassergefahr an der Oder. „Ich bin besorgt. Die Deiche werden einem Härtetest ausgesetzt“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Freitag. Allerdings werde die höchste Flutwelle später erwartet, also nicht bereits Pfingstmontag, sondern erst Mittwoch oder Donnerstag. Dann werde in Brandenburg voraussichtlich die vorletzte Hochwasser-Alarmstufe 3 ausgerufen. Platzeck schloss erstmals auch Alarmstufe IV – also den Katastrophenfall – nicht aus. Nächsten Dienstag wird der Krisenstab der Landesregierung seine Arbeit aufnehmen. Um eine enge Koordination mit polnischen Behörden zu sichern, werden wechselseitig Verbindungsleute in den jeweiligen Stäben tätig sein.

Noch ist von all diesen Aktivitäten entlang der Oder allerdings kaum etwas zu spüren. Sie ist noch befahrbar. Bisher gilt dort lediglich Alarmstufe 1, Routine bei den alljährlichen Frühjahrshochwässern. In Frankfurt (Oder) und Ratzdorf steigen die Wasserstände zwar allmählich weiter, flussabwärts sinken sie aber sogar wieder. Am Freitag fielen – den zweiten Tag in Folge – die Pegel am letzten polnischen Messpunkt Miedonia auf 7.10 Meter, am Vortag waren es 7.96 Meter. Bisheriger Höchststand waren am Mittwoch 8.84 Meter, nur knapp 1.60 Meter weniger als bei der Flut 1997. Normal wären fünf Meter.

Dass Brandenburgs Behörden die Hochwasser-Vorbereitungen verstärken, hat mehrere Gründe. Der Wetterdienst rechnet laut Platzeck Anfang der kommenden Woche „mit neuen starken Niederschlägen in den Einzugsgebieten der Oder“, wo es jetzt schon schwere Überschwemmungen nach 14 Deichbrüchen gibt. Das entlastet zwar das flussabwärts gelegene Brandenburg, senkt die Scheitel. Doch all das Wasser wird trotzdem abfließen. „Wenn dies so kommt, dann kann das Hochwasser drei Wochen dauern“, sagte Platzeck. Bisher gingen die Experten davon aus, dass das Hochwasser etwa zehn Tage dauern wird.

Anders als beim Jahrhunderthochwasser 1997, als die Deiche am Ende wie „Wackelpudding“ waren, machen sich die Experten um die Standfestigkeit der 165 Kilometer Oder-Deiche in Brandenburg diesmal kaum Sorgen. „Sie müssen einfach halten“, sagt Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes, „Alle Deiche sind seitdem quasi neu gebaut worden. Und zwar nach dem modernsten Stand der Deichbautechnik.“ Das heißt, damit sie nicht durchweichen, werden sie entwässert, „trockengelegt, wie Windeln.“ Auch die letzten verbliebenen – und besonders anfälligen – Baustellen seien inzwischen gesichert. Auch seien 60 Hektar neue Überflutungsflächen geschaffen worden. Dafür lauern andere Gefahren als damals, jedes Hochwasser hat eigene Tücken. Unwägbar ist etwa, was auf das einst unter Friedrich dem Großen entstandene tiefer gelegene Oderbruch – eine große Badewanne, 55 Kilometer lang, 15 Kilometer breit – zukommt. Erstmals seit Ewigkeiten führt nämlich auch die Warthe, die bei Küstrin in die Oder mündet, parallel Hochwasser. „1997 wurde die Oder von der Warthe entlastet. Das ist diesmal nicht so“, sagte Freude. „Das Oderbruch wird ein Problem kriegen.“ Und zwar ein größeres, wenn – der schlimmste Fall – die Scheitel von Oder- und Warthehochwasser zusammentreffen, was niemand vorhersagen kann.

Platzeck will den für Katastrophenschutz zuständigen Innenminister Rainer Speer (SPD), zur Zeit in Mazedonien, nicht vorzeitig zurückbeordern. „Es gibt keinen Grund für hektische Bewegungen.“ Platzeck selbst, der seinen Aufstieg zum Regierungschef auch seiner Rolle als bei der Jahrhundertflut 1997 populär gewordener „Deichgraf“ verdankt, verabschiedete sich in den Pfingsturlaub. „Ich bin darauf eingestellt, Mitte der Woche zurück zu sein. Sobald es eine dringende Situation gibt, bin ich retour.“

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