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Brandenburg: Ikona

Ikone

Die oft dunklen, goldbesetzten Heiligenbilder gelten als Inbegriff Ý russischer Seele – dabei sind Ikonen ursprünglich weder russisch, noch handelt es sich dabei um „Bilder“. Ikonen entstammen der hellenistischen Welt, kamen erst mit dem Christentum zu den Slawen, um das Jahr 1000. Der Gläubige sieht in einer Ikone das göttliche Licht selbst und nicht eine menschliche Darstellung von Christus, der Gottesmutter, den Engeln oder Heiligen. Deswegen kennt man auch – bis auf ganz wenige Ausnahmen wie Andrej Rubljow – die Namen der Ikonenmaler nicht. Während der Revolution wurden in Russland unzählige Kirchen mit ihren Schätzen geschleift – und es setzte ein neuer Kult ein. Die stalinistische Religion (Ý Groys) übernahm das orthodoxe Bildprogramm und konnte sich dabei auf Avantgardekünstler stützen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die russische Volks- und Kirchenkunst wiederentdeckt hatten. Damals schrieb Pawel Florenskij den bahnbrechenden Text von der „umgekehrten Perspektive“. Ikonen, so der russische Geistliche, Mathematiker und Philosoph, wollen bewusst nicht die naturalistische Welt darstellen, sondern eine transzendente Sphäre. Die Ikone ist etwas Erleuchtetes. Man denkt dabei an Marx, der die idealistische Philosophie vom Kopf auf die Füße stellen wollte, und an Sowjetrussland, das dem Rest der Welt gleichfalls eine umgekehrte Perspektive der Verhältnisse präsentierte. Vom Totalitarismus und seiner Propaganda ist es nicht weit zur Pop-Kultur: Hier ist die Idee der Ikone (Elvis, Madonna, Che Guevara) im Westen mächtig präsent.

Rüdiger Schaper

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