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Brandenburg: Im größten Baudenkmal verlöscht das Licht

Fachhochschule für Verwaltung verläßt Bauhaus-Zeugnis bei Bernau / Angst vor VerfallVON CLAUS-DIETER STEYER BERNAU.Das heroische Wandbild hat allen Stürmen der Zeit widerstanden: Ein junger Mann trägt darauf stolz eine rote Fahne von Ost nach West, während ein junges Mädchen freundlich grüßt.

Fachhochschule für Verwaltung verläßt Bauhaus-Zeugnis bei Bernau / Angst vor VerfallVON CLAUS-DIETER STEYER BERNAU.Das heroische Wandbild hat allen Stürmen der Zeit widerstanden: Ein junger Mann trägt darauf stolz eine rote Fahne von Ost nach West, während ein junges Mädchen freundlich grüßt.Scheinbar ungerührt von diesem Vorwärtsdrängen stehen im Vordergrund drei Männer ratsuchend um ein großes Schriftstück herum, das wohl einen Plan darstellen soll.Zehntausende Gewerkschaftsfunktionäre aus der ganzen DDR sind an diesem wenig einfallsreichen Kunstwerk vorbeigelaufen.Es schmückte den Eingang des Hauptgebäudes der FDGB-Hochschule in Bernau.Heute steht das Wandbild ebenso wie der riesige Gebäudekomplex unter Denkmalschutz.Doch es droht Gefahr.Im August sollen alle Lichter verlöschen.Dann zieht die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung aus. Die Kriminalbeamten studieren künftig im benachbarten Basdorf, die Verwaltungsfachleute in Wildau am südöstlichen Berliner Stadtrand."Leerstand aber bedeutet Verfall", sagt Professor Manfred Berger vom Verein Baudenkmal Bundesschule Bernau."Wir sind in großer Sorge um ein einzigartiges Architekturzeugnis in Brandenburg." Das Gelände unweit der Autobahn Berlin - Prenzlau beeindruckt schon durch seine Dimensionen: 600 Internatsplätze, fünf Hörsäle, 14 Seminarräume, eine Mensa, mehrere Plattenbauten und ein großer Garagenkomplex.Da fällt die Suche nach Interessenten nicht leicht, zumal diese nach dem Willen des Vereins aus dem Bildungssektor kommen sollen."Der ehemalige Bauhausdirektor Hannes Meyer hatte 1928 eine Schule für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund entworfen, die damals zu den modernsten Ensembles in Deutschland gehörte", sagt Professor Berger."Er wollte aus Beton, Ziegel, Glas und Stahl einen völlig neuen Lebensstil in Harmonie zur Natur aufzeigen.Dieses Ziel ist ihm wunderbar gelungen." Der Verein zählt 64 Mitglieder aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien.Das Dessauer Bauhaus ist ebenso vertreten wie die Weimarer Bauhaus-Uni und das Berliner Bauhausarchiv.Im letzten Jahr zählte der Verein 90 Veranstaltungen.Vor allem Gymnasiasten und Studenten greifen gern auf das Angebot "Bauhaus zum Anfassen" zurück.In einer in den Originalzustand der dreißiger Jahre versetzten Lehrerwohnung hält eine Ausstellung das Schicksal der Bundesschule und des Bauhausdirektors Hannes Meyer fest. Die hier zusammengetragenen Fakten verdeutlichen die bewegte Geschichte des Baudenkmals.Der 1919 gegründete Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund hatte 1927 den Bau einer zentralen Bildungsstätte beschlossen.Bernau hatte sich mit seiner reizvollen Lage und seinem S-Bahnanschluß nach Berlin gegen Fürstenwalde, Falkensee, Brieselang, Eberswalde, Wandlitz und andere Bewerber durchgesetzt.Hannes Meyer entwarf nicht nur eine lichtdurchflutete Internatszeile, sondern auch eine Turnhalle, Sportplätze, ein Schwimmbad und Gebäude für Kultur und Freizeit.5000 Gewerkschafter absolvierten zwischen 1930 und 1933 die Lehrgänge. Am 2.Mai 1933 besetzte die SA die Schule und verwies Lehrkräfte und Schüler vom Gelände.Hitler eröffnete Mitte Juni 1933 hier die Reichsführerschule der NSDAP und der Deutschen Arbeitsfront.Drei Jahre später übernahm das Reichssicherheitshauptamt die Gebäude.SS-, SD- und Gestapoangehörige wurden fortan geschult.Archivmaterialien bestätigen die Einbeziehung der Schule in die Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges.Führungskräfte erhielten eine Ausbildung, um nach der Eroberung Polens die dortige Verwaltung zu übernehmen.In der Schule erfolgte die Einweisung jener SS-Angehörigen, die am 31.August 1939 unter der Tarnbezeichnung "Unternehmen Tannenberg" in polnischen Uniformen den deutschen Radiosender Gleiwitz und die Zollstation Hochlinden überfielen. Nach dem Krieg richtete die Rote Armee bis 1947 ein Lazarett ein.Doch ein Beschluß der Allierten zwang die russischen Militärs zur Räumung der Gewerkschaftsgebäude.Der FDGB als Nachfolger der ADGB im Osten baute die Bernauer Schule gewaltig aus.Inzwischen stehen auch die neuen Gebäude wieder unter Denkmalschutz.Nach der Wende verzichtete der DGB auf dieses Erbe.Das Land Brandenburg kaufte die Schule 1993 für 19,5 Millionen Mark von der Treuhand.Mit der Stadt Bernau wurde ein Erbbaurechtsvertrag für das Grundstück abgeschlossen.Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung zog ein. Doch der Sparzwang im Landeshaushalt erfaßt auch die Bundesschule, zumal viele Gebäude saniert werden müßten.Der Auszugstermin August steht fest.Hilfe zur Bewahrung des Denkmals hat der Verein am Wochenende von der Stadt Bernau erhalten.In einem Brief an Ministerpräsident Stolpe fordern die Stadtverordneten eine Weiternutzung des Ensembles. Die Ausstellung zum Baudenkmal Bundesschule ist auf dem Gelände Montag bis Donnerstag von 8 bis 15 Uhr geöffnet, freitags bis 12 Uhr.Führungen unter Tel.0 33 38 / 6 51 49 oder 0 33 38 / 76 91 22.

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