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Brandenburg: Im "Maßkahn" unterwegs wie vor 100 Jahren

EBERSWALDE .Der Kahn knarrt, quietscht und bewegt sich etwas schwerfällig.

EBERSWALDE .Der Kahn knarrt, quietscht und bewegt sich etwas schwerfällig.Doch bei seinem Alter von fast 100 Jahren ist ihm jede Schwäche nachzusehen.Außerdem verschafft er dem Gast ein wunderbares und nicht alltägliches Erlebnis: Seit gestern schippert die 40 Meter lange "Anneliese" auf einer fast vergessenen Route durch den nördlichen Barnim.Der Finowkanal bei Eberswalde gilt als die älteste noch erhaltene künstliche Wasserstraße Deutschlands.Vorerst ist zwar nur die Strecke östlich von Eberswalde befahrbar, doch die vierstündige Reise genügt vollkommen für einen unterhaltsamen Exkurs in die Schiffahrtsgeschichte.

Denn wo sonst wird ein Fahrgastschiff wie die "Anneliese" von kräftigen Männer- und Frauenhänden gestakt? Auch der Einsatz von Pferden dürfte einmalig sein.Auf einem Teilstück zieht ein kraftstrotzender Gaul vom Uferweg aus die bis zu 200 Fahrgäste.Dieses Treideln per Mensch oder Pferd war jahrzehntelang die übliche Fortbewegungstechnik auf dem insgesamt 32 Kilometer langen Finowkanal.Heute hilft ein kleines Stoßboot mit gerademal 50 PS Leistung auf den schwierigen Geländeabschnitten.

Allerdings bringt diese "Ihna" aus dem Jahr 1936 Schiffsführer Gerd Neumann in den Schleusen mitunter zum Schwitzen.Denn diese Konstruktionen waren ursprünglich so gebaut worden, daß genau zwei Finowmaßkähne nebeneinander Platz hatten."40 Meter lang, 4,60 Meter breit" lautete ab 1845 das in deutschen Schiffahrtskreisen bis weit in die zwanziger Jahre hinein gebräuchliche Finowmaß.Jetzt aber hängt hinten noch das Stoßboot dran, so daß in den Schleusen buchstäblich um jeden Zentimeter gekämpft wird, um die Tore schließen zu können.

Unterwegs vergeht die Zeit wie im Fluge.Gerd Neumann erzählt viele Episoden aus der Geschichte dieser Wasserstraße.Ursprünglich war die kleine Finow schon zwischen 1603 und 1620 schiffbar gemacht worden.Doch der dreißigjährige Krieg zerstörte die damalige technische Spitzenleistung.

Sogar die Bevölkerung vergaß diese erste Verbindung zwischen zwei großen Flüssen in Deutschland, der Elbe und der Oder.Erst Friedrich II.ordnete 1743 die Wiederbelebung des Finowkanals an, um Kies, Holz und Erz für das aufstrebende Preußen aus dem Osten nach Berlin zu transportieren.Der Finowkanal wurde zur wichtigsten Wasserstraße, denn die jährlichen Gütermengen übertrafen sogar das Aufkommen auf dem Rhein.

Mehrtägige Wartezeiten vor den Schleusen und die Enge des Kanals behinderten aber zunehmend den Verkehr, so daß 1905 der Beschluß zum Bau einer neuen Verbindung erfolgte.Parallel zum Finowkanal entstand die Oder-Havel-Wasserstraße.Die alte Strecke zwischen Zerpenschleuse und dem Schiffshebewerk Niederfinow aber verfiel.

Sie verkam sogar zur Müllkippe.Erst seit einiger Zeit bietet Gerd Neumann wieder Fahrten auf dem Kanal an.Doch die bisherigen Ausflüge mit einem modernen Motorschiff sind mit der Tour der "Anneliese" nicht zu vergleichen.

Neumann entdeckte den alten Finowmaßkahn in Köpenick und ließ ihn für eine große Summe restaurieren.Eberswalde und umliegende Orte versprechen sich eine neue Touristenattraktion von den Fahrten mit dem nostalgischen Kahn.In einigen Jahren soll wieder der ganze Kanal befahrbar sein.Der Bund als Eigentümer stellt 32 Millionen Mark für die Reparaturen zur Verfügung, Brandenburg und der Landkreis Barnim schießen zehn Millionen Mark zu.2002 soll alles fertig sein: Dann findet in Eberswalde die Landesgartenschau statt.

"Anneliese" startet sonnabends und sonntags um 9 und 14 Uhr an der Eberswalder Stadtschleuse.Fahrpreis 20 Mark, Kinder 10 Mark.Fahrgastschiffahrt Neumann, Tel.03334 / 24 405.

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