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Brandenburg: In der Höhle des Löwen dreht Gysi den Spieß um

Als Gregor Gysi die Mehrzweckhalle betritt trillern Pfeifen. Ein Teil der Menge empfängt ihn mit Buhrufen, einige klatschen.

Als Gregor Gysi die Mehrzweckhalle betritt trillern Pfeifen. Ein Teil der Menge empfängt ihn mit Buhrufen, einige klatschen. "Verräter", brüllt ein aufgebrachter Mann mit Backenbart. Die Gesprächsrunde zum Großflughafen Berlin-Brandenburg, zu der die Schönefeld-Anrainer am Freitagabend nach Schulzendorf geladen haben, ist kein Heimspiel für den frisch gebackenen Wirtschaftssenator.

Doch die großen Schirme der Leibwächter Gysis blieben geschlossen. Niemand warf mit Eiern oder Tomaten nach dem PDS-Mann. Der muss wohl vor seiner Reise in die "Höhle des Löwen", wie es Bürgermeister Herbert Burmeister formulierte, mit solchen Aktionen gerechnet haben. Doch souverän nahm Gysi den rund 1000 in der überfüllten Sporthalle versammelten Gegnern eines Großflughafens in Schönefeld den Wind aus dem Segel: "Meine Partei ist doch die einzige, die sowohl in Berlin als auch in Brandenburg auf Ihrer Seite steht." Die Region brauche zwar dringend einen internationalen Verkehrsflugplatz, aber Schönefeld sei nun dafür überhaupt nicht geeignet.

Im Handumdrehen veränderte sich nach diesen Sätzen die Stimmung im Saal. Verschämt wurden Plakate und Transparente eingerollt, auf denen vom "Betrug der PDS" die Rede gewesen war. Schließlich habe die Partei vor der Berliner Wahl einen Großflughafen abgelehnt, in der Koalitionsvereinbarung mit der SPD aber der Fortsetzung des Planverfahrens für den Ausbau Schönefelds zugestimmt. Als dann doch jemand Gysi "Machtgier" vorwarf, wurde der Zwischenrufer kurzerhand niedergebrüllt.

Ferdi Breidbach, Chef des mit 5000 Mitgliedern gegen Schönefeld kämpfenden Bürgervereins Brandenburg-Berlin und früherer CDU-Bundestagsabgeordneter, musste schnell Pluspunkte für die PDS eingestehen. "Ministerpräsident Stolpe oder andere SPD-Politiker, von der CDU ganz zu schweigen, haben nicht den Mut, mit uns zu sprechen", sagte Breidbach. "Die kneifen."

Gysi merkte, dass er die Menge zunächst gegen sich hatte. Und sagte dann Dinge, die das Publikum hören wollte. Bei der bisherigen Planung für das Großprojekt sei "rechtlich alles falsch gemacht worden, was man falsch machen konnte". Nun war aus der anfangs als "Abrechnung mit der PDS" gedachten Versammlung plötzlich ein Heimspiel für Gysi geworden. Munter zog er gegen die "verfehlte Politik der CDU", die "katastrophale Vorbereitung der Schönefeld-Pläne" oder das "finanzielle Desaster durch verfehlte Grundstückskäufe" zu Felde. Berlins Regierenden Bürgermeister Wowereit erwähnte er nur einmal. Dieser habe tatsächlich in den Koalitionsverhandlungen auf einem Konsens in der Flughafenfrage bestanden. Die PDS sei nur der kleinere Koalitionspartner in Berlin, so Gysi. Die SPD, das Land Brandenburg und der Bund seien nun mal für Schönefeld. Dennoch machte Gysi den sich vor Fluglärm und anderen Belastungen fürchtenden Einwohnern Mut. Es sei höchst fraglich, ob sich das Bundesverwaltungsgericht oder der Europäische Gerichtshof einer Klage gegen einen Großflughafen in Schönefeld widersetzen würden. "Alles ist offen." Gleichzeitig warnte er die Gegner vor zu viel Optimismus.

Auf die vom Bürgerverein vorgeschlagenen Alternativ-Standorte wie Sperenberg oder Stendal in Sachsen-Anhalt ließ sich der Senator nicht festlegen. "Das ganze Ding ist verkorkst. Da kommen Brandenburg, der Bund und Berlin nur gemeinsam wieder raus", meinte er. "Sie müssen es nur politisch wollen." Aus dem Publikum gab es dafür genügend Vorschläge. Die rund um Schönefeld gekauften Flächen könnten der Messegesellschaft überlassen werden. Mit dem Verkauf der Grundstücke des geschlossenen Flughafens Tegel wäre der Berliner Haushalt saniert. Und bei einer Entscheidung für einen großen Airport in Stendal würden fast alle ostdeutschen Länder an einem Projekt zusammenarbeiten. Gregor Gysi riet zum Abwarten. "Die Dinge sind noch nicht in dem Topf, wo sie hingehören."

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