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Brandenburg: In eigener Sache blind

Thorsten Metzner

Der Betrugsprozess gegen Brandenburgs Vize-Rechnungshofpräsidenten Arnulf Hülsmann wird neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Potsdamer Landgerichtes aufgehoben, jenen Freispruch, den man nach den überdeutlichen Wertungen der Leipziger Richter getrost als skandalös bezeichnen darf. Sicher, zunächst einmal ist das der normale Lauf in einem Rechtsstaat. Ein Urteil wird von der nächsten Instanz kassiert. Bedenklich muss stimmen, dass im Fall Hülsmann erst Bundesrichter die märkische Landesgerichtsbarkeit an einen Grundsatz erinnern mussten: Dass an Spitzenamtsträger wie Hülsmann strengere Maßstäbe anzulegen sind als bei einem „normalen“ Beamten. Beim Freispruch wurde das Gegenteil getan.

Der Fall mag juristisch kompliziert sein, in der Lebenswirklichkeit ist er viel einfacher. Da hatten die Fahnder bei Hülsmann penibel archivierte private Einkaufs- und Tankquittungen beschlagnahmt. Zu Zeiten, als er nach seinen Erstattungsanträgen angeblich auf Dienstreisen gewesen sein will, hielt er sich demnach mehrfach an anderen, hunderte Kilometer weit entfernten Orten auf. Elektronische Kassenbons, so befand dennoch das Landgericht, seien als Beweis nicht zuverlässig genug. Dass der sonst so penible Prüfer mehrfach falsch zu seinen Gunsten abgerechnet hat, musste es angesichts der Fakten dennoch anerkennen. Trotzdem verwarf es jeden Vorsatz – was vom Bundesgerichtshof ebenfalls gerügt wurde.

Die vom Potsdamer Landgericht bisher praktizierte Nachsicht gegenüber Hülsmann ist nach dem Leipziger Einwurf umso angreifbarer, weil sie quasi einem Richter zugute kam, der als zweithöchster Finanzkontrolleur Brandenburgs, mit dem Status eines Vize-Gerichtspräsidenten, richterliche Unabhängigkeit genießt. Wenn es nur das wäre: Die jetzt vom Bundesgerichtshof gerügte Nachsicht ist keine Ausnahme. Sie ist typisch für den Umgang der Brandenburger Justiz mit der immer noch nicht aufgearbeiteten „Trennungsgeld-Affäre“, bei der es, vergleichbar, ebenfalls um zu Unrecht kassierte Entschädigungszahlungen an hohe Amts- und Würdenträger der Justiz geht. Doch es wird verzögert, beschönigt, gegen Rückforderungsbescheide gestritten, auf die eigenen Rechte gepocht, man kennt sich ja bestens aus. Und die Mühlen der märkischen Gerichte mahlen auffallend langsam und lustlos. Da verweigert die Regierung der PDS-Opposition die Einsicht in die Trennungsgeld-Akten von hoch bezahlten Spitzenjuristen und Regierungsbeamten – nur weil ein von der Affäre selbst direkt betroffenes Obergericht der Klage eines wegen Trennungsgeld-Betruges verurteilten Ex-Justizstaatssekretärs in einem Einzelfall stattgegeben hat.

Im Fall Hülsmann gab es, zum Glück, mit dem Bundesgerichtshof eine objektive Kontrollinstanz außerhalb Brandenburgs. In der Trennungsgeld-Affäre, von der jedes Gericht, jede Staatsanwaltschaft und das Justizministerium betroffen sind, gibt es sie nicht. Richter, die über Rückforderungsbescheide von zehntausenden Euro zu befinden haben, urteilen über bekannte Kollegen. Schon jetzt steht fest: Ministerpräsident Matthias Platzeck hat mit der verweigerten Akteneinsicht für die Opposition und damit für alle sein im Landtag gegebenes Versprechen gebrochen, dass die Trennungsgeld-Affäre konsequent aufgeklärt und geahndet wird. Es war der Kardinalfehler seiner Regierung, dass die Aufarbeitung nicht in ein anderes Bundesland abgegeben wurde, etwa an die Berliner Justiz. Es bleibt der verheerende Eindruck: In eigener Sache ist Brandenburgs Justitia befangen. Oder blind.

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