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Brandenburg: Jörg Schönbohm: Der konservative Unruhestifter

"Ich verspreche Ihnen, das neue Jahr wird nicht langweilig." Ein Raunen geht durch die Reihen, als sich Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) von dem Häuflein Ministerialer verabschiedet, das kurz vor Silvester die Stellung im Innenministerium hält.

"Ich verspreche Ihnen, das neue Jahr wird nicht langweilig." Ein Raunen geht durch die Reihen, als sich Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) von dem Häuflein Ministerialer verabschiedet, das kurz vor Silvester die Stellung im Innenministerium hält. Galgenhumor? In der Runde versteht jedenfalls jeder die Anspielung. Es sind die letzten Tage des alten Jahres, aber auch die Tage vor dem Sturm, der alsbald über Schönbohm hereinbrechen wird: Weil er Hunderte von kleinen Gemeinden fusionieren, weil er vier von sechs Polizeipräsidien auflösen will. Der kampferprobte Haudegen weiß am besten, dass er sich damit keine Freunde macht. Bürgermeister und Polizeigewerkschafter machen gegen ihn Front, werfen ihm vor, Strukturen blind zerschlagen zu wollen. Böse Karikaturen zeigen ihn mit der Axt in der Hand. "Die Gefechtslage ist klar", sagt der Ex-General kurz und knapp. Und: "Die harten Eingriffe sind nötig."

Er, der antrat, um das ostalgisch-provinzielle Brandenburg zu verändern und mit der "kleinen DDR" Schluss zu machen, will hart bleiben, auch wenn er sich nicht sicher sein kann, dass die Wähler den Reformeifer 2004 auch honorieren werden. "Er kann uns auf die Füße fallen", warnen vorsichtige Parteifreunde. Schönbohm will die umstrittenen Reformen deshalb, einer klassischen politischen Regel folgend, schnell "durchziehen" und 2002, schon zur Mitte der Legislatur, abschließen. Bis zur Landtagswahl, so seine Rechnung, "hat sich alles beruhigt und herrscht wieder Friede". Vielleicht, wenn der Vielfronten-Krieger Schönbohm nicht selbst wieder zusätzliche Unruhe stiftet: Der Streit mit dem Bundestagspräsidenten, der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, dem Koalitionspartner SPD über die Asylpraxis war kaum beigelegt, da griff er jetzt aus heiterem Himmel das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit an: Es tue nichts gegen rechte Gewalt, tönte er über das Lieblingsprojekt von Bildungsminister Steffen Reiche (SPD).

War es nicht Jörg Schönbohm, der nach querelenreichen Wochen vor Weihnachten öffentlich die Bitte äußerte, die Koalition nicht durch unnötigen Zwist zu belasten, endlich Ruhe einkehren zu lassen? Doch der Widerspenstige kann sich selbst nicht zähmen. Jörg Schönbohm, vor über zwei Jahren aus Berlin in die Mark gewechselt, darf getrost als Brandenburgs widersprüchlichster Politiker gelten. "Er ist Stratege und Hitzkopf zugleich", meint ein Kabinettsmitglied. "Ein strammer Parteisoldat und doch ein Pragmatiker, der Brandenburg über alles stellt", urteilt ein Christdemokrat. Als das CDUBundespräsidiumsmitglied Schönbohm im Streit um die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung "umfiel", musste er sich von CDU-Parteichefin Angela Merkel den Vorwurf "schwacher Nerven" gefallen lassen.

Ein CDU-Hardliner, der den Kampfbegriff der "deutschen Leitkultur" erfand, der aber wichtige Termine absagt, um an der offiziellen Trauerfeier der PDS für ihren Vordenker Michael Schumann teilnehmen zu können, seinem schärfsten innenpolitischen Kritiker. "Ich habe den Streit mit ihm immer sehr geschätzt." Ein "Polit-Macho" wie er im Buche steht, der dennoch den Rat von Sozialdemokraten sucht und zum Entsetzen eigener Leute auch noch eingesteht, dass Manfred Stolpe (SPD) ihm bei der Ministersuche für das Kulturressort geholfen habe. Die Offenheit ist eine Stärke Schönbohms, aber auch riskant, weil sie angreifbar macht. In Talk Shows ist inzwischen kein Brandenburger Politiker so präsent wie der konservative Provokateur, der viel darauf hält, Klartext zu reden. "Er hat den Platz eingenommen, den einst die linke Provokateurin Regine Hildebrandt hatte", jubelt man in der CDU-Zentrale. Schönbohm habe etwas geschafft, was ungewöhnlich sei, analysierte ein Verleger: Er schaue aus dem kleinen landespolitischen Fenster, das normalerweise allein der Ministerpräsident besetzt.

Trotz seiner gelegentlichen Eskapaden, gestehen sogar SPD-Politiker ein, habe Schönbohm in nur einem Jahr "frischen Wind ins Land gebracht". Wenn man ihn als Innenminister vor Ort erlebt, im Gespräch mit Kommunalpolitikern, Polizisten, ist vom Provokateur nichts zu spüren. Zuerst zieht er sein Jackett aus, krempelt die Ärmel hoch. Ein Signal, dass man mit ihm in Augenhöhe reden kann. Schönbohm redet nicht um den heißen Brei herum, hört zu, fordert Kritik heraus, wie kürzlich auf der Polizeiwache Fürstenwalde. Sein Vortrag über den Sinn der Polizeireform, die den aufgeblähten Apparat straffen, "weniger Häuptlinge aber mehr Indianer" bringen soll, und die anschließende Diskussion lösen Nachdenklichkeit aus. Kein Groll, keine Polemik wie auf der Gewerkschafts-Demo vor dem Landtag, wo ihm 2000 Polizisten den Rücken zukehrten und er in Rage geriet.

Schönbohm, der in den kommenden Monaten alle Schutzbereiche, alle Kreise bereisen und für seine Reformen werben will, setzt auf das direkte Gespräch, bei dem er seine Stärken ausspielen kann. Aber wird das reichen? Wird die nicht mehr bedingungslos gehorchende Partei ihm folgen, wird die wieder selbstbewusst gewordene SPD mitziehen? Wird Schönbohm sich gar selbst Fallen stellen? Ein Staatskanzlist: "In zwölf Monaten steht fest, ob er Gewinner oder Verlierer des Jahres 2001 in Brandenburg ist."

Michael Mara

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