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Brandenburg: Jordanier reist ins falsche Frankfurt – und wird prompt geprügelt Hetzjagd über die Gleise: Haftbefehl für zwei Täter, vier weitere Verdächtige sind schon wieder frei

Frankfurt (Oder). Bespuckt, verprügelt und über Eisenbahngleise gejagt - ein Jordanier erlebte bei einem kurzen Aufenthalt in Frankfurt (Oder) einen Albtraum.

Frankfurt (Oder). Bespuckt, verprügelt und über Eisenbahngleise gejagt - ein Jordanier erlebte bei einem kurzen Aufenthalt in Frankfurt (Oder) einen Albtraum. Ein halbes Dutzend Verfolger hetzte den orientierungslosen Mann aus ausländerfeindlichen Motiven am frühen Freitagmorgen über den Bahnhofsvorplatz, durch den Bahnhof und schließlich sogar über die Schienen. Die Polizei nahm die Täter fest. Am Wochenende erließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Haftbefehl gegen einen 22-Jährigen und einen 19-Jährigen. Vier weitere Verdächtige hatte die Polizei festgenommen, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen sie werde aber ebenfalls ermittelt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Nach bisherigen Recherchen verbrachte der 26-jährige jordanische Student Issan A. über Silvester und Neujahr in Berlin. Der seit Jahren in Frankreich lebende Mann wollte am frühen Freitagmorgen nach Frankfurt (Main) fahren. Auf dem Bahnhof Zoo muss er auf der Anzeigetafel zwar den Ortsnamen Frankfurt gelesen, aber den Zusatz „(O)“ nicht beachtet haben. Er fuhr bis in die Oderstadt durch, bemerkte dann seinen Irrtum und lief gegen 6.30 Uhr durchs Bahnhofsgebäude auf den Vorplatz. So schnell fuhr aber kein Zug zurück nach Berlin.

Vor dem Bahnhof lief der Mann seinen Peinigern direkt in die Arme. Vier Männer sowie eine 36-jährige Frau und deren 17-jährige Tochter waren zu diesem Zeitpunkt erheblich angetrunken. Sie gehören nach Polizeiangaben zur „schwierigen Bahnhofsszene“ und sind als gewalttätig bekannt. Offenbar hatte sich der Student fragend an die Umherstehenden gewandt, die sich sofort provoziert fühlten. Erst pöbelten sie, dann spuckten sie den Jordanier an und schließlich prügelten sie auf ihn ein. Das Opfer floh über die Gleise. Doch dort holten ihn seine Verfolger ein. Sie traten den Mann und schlugen auf ihn ein. Reisende auf dem Bahnsteig beobachteten die Tat und alarmierten die Polizei. Die war nach kurzer Zeit zur Stelle und nahm die Angreifer fest.

Die 36-jährige Frau wurde noch am Abend freigelassen, weil sie ein dreijähriges Kind zu versorgen hatte. Sie bestritt zudem, bei der Prügelei mitgemacht zu haben. Auch ihre 17-jährige Tochter kam frei. Die vier Männer galten als vorbestraft. Doch nur bei einem 22-Jährigen aus Storkow und einem 19-jährigen Frankfurter entschied sich der Haftrichter für die Überweisung in die Untersuchungshaft. Staatsanwalt Ulrich Scherding ließ keinen Zweifel am Motiv der brutalen Attacke. „Die hatten es darauf angelegt, einen Ausländer zu verprügeln“, sagte er.

Der Jordanier selbst erlitt leichte Verletzungen. Er sprach gegenüber der Polizei von einem losen Schneidezahn. Allerdings wollte er sich nicht von einem Arzt in Frankfurt (Oder) behandeln lassen, sondern fuhr mit dem nächsten Zug zurück nach Frankreich. Er verwarf seine ursprünglichen Reisepläne und wollte nun nicht mehr in Frankfurt (Main) Station machen.

Der Tathergang erinnert an die tödliche Hetzjagd auf einen Ausländer in Guben im Februar 1999. Damals hatte eine Gruppe Jugendlicher einen algerischen Asylbewerber aus ausländerfeindlichen Motiven durch die Straßen verfolgt. Aus Angst vor den Verfolgern wollte sich der Mann in einen Hausflur retten. Als er durch die gläserne Eingangstür sprang, zog er sich schwere Schnittverletzungen zu, an denen er verblutete.

Auch der jordanische Student hätte auf den Frankfurter Gleisen leicht stürzen und möglicherweise von einem Zug überrollt werden können. Es war dunkel, die Gleise, Schwellen und Bahnsteige waren von einer gefährlichen Eisschicht überzogen.

Frankfurt (Oder) gilt bei Extremismus-Experten eigentlich nicht mehr als Schwerpunkt von Übergriffen auf Ausländern. Bis Mitte der neunziger Jahre kam es häufig zu Überfällen auf polnische Studenten der Europa-Universität „Viadrina“. Die meisten rechtsextremistischen Taten werden heute aus Cottbus und Umgebung, aus ländlichen Regionen der Uckermark und des Landkreises Ostprignitz-Ruppin gemeldet. Am Mittwoch beginnt in Neuruppin ein Prozess gegen Jugendliche, die in Wittstock einen Spätaussiedler totgeschlagen haben sollen.

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