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Brandenburg: Kalter Krieg im DDR-Atombunker

Gary Powers jr., Sohn des auf der Glienicker Brücke ausgetauschten US-Piloten, will in den früheren Schutzräumen der NVA-Führung ein Museum einrichten.

Harnekop - Am 10.Februar 1962 hob sich auf der Glienicker Brücke im Morgengrauen an der Grenze zwischen Potsdam und West-Berlin zum ersten Mal in der Geschichte des Kalten Krieges für einen kurzen Moment der Eiserne Vorhang. Zwei Männer durften ihn passieren: der CIA-Top-Agent Gary Powers und der KGB-Spion Rudolf Abel. Während Powers auf einem U 2-Aufklärungsflug über dem Ural von den Russen abgeschossen worden war, landete Abel nach dem Auffliegen seines internationalen Spionagenetzes in den Staaten im Gefängnis – die beiden verfeindeten Supermächte ließen sich erstmals auf einen Austausch ein. An dieses Kapitel in der Geschichte des Kalten Krieges will nun Francis Gary Powers Jr., Sohn des berühmten US-Agenten,erinnern und plant jetzt im Atombunker Harnekop zwischen Strausberg und Bad Freienwalde die Errichtung eines „Cold War Information Centers“ – eines Museums des Kalten Krieges.

Ähnliches, nur etwas größer, baut Powers derzeit schon in den USA auf: Kommendes Jahr soll auf dem Gelände einer ehemaligen Raketenabwehrbasis in Virginia ein authentischer Ort für eine Cold- War-Dauerausstellung mit großem Literatur-Archiv sowie zahlreichen, der Öffentlichkeit bisher unzugänglichen Fotos, CIA-Schriftstücken, Urkunden und ehemals geheimen Prozessakten aus dem Kalten Krieg sowie zahlreichen Gegenständen aus dem Nachlass Gary Powers wie Fliegeranzüge und Ähnliches eingerichtet werden. Die Berlinerin Bärbel Simon hilft Gary Powers Jr. dabei mit der Beschaffung von Zeitzeugenmaterial aus der ehemaligen DDR – und nun auch bei seinem Projekt in Strausberg.

„Einen besseren Ort für ein Informationszentrum zum Kalten Krieg als einen ehemaligen Atombunker kann ich mir gar nicht vorstellen“, schwärmt Powers. In der 1976 fertig gestellten Anlage mit drei geschossen sollten im Ernstfall 500 Militärs unter Leitung des DDR-Verteidigungsministers einen Monat lang überleben und Krieg führen können. Die Schutzräume befinden sich heute in Privatbesitz. Bunkerbetreiber Hartmut Mehland bietet dort an Wochenenden und Feiertagen Gruppenführungen an, und mit diesem war sich Powers schnell einig, dass er einige Räume des unterirdischen Labyrinths aus Stollen, Schutzräumen und Sanitätstrakten mietfrei für seine Ausstellung nutzen könne. „Die Räume sind noch größtenteils im Originalzustand eingerichtet“, sagt Powers, „im Anschluss an die Führungen können sich die Besucher, vielleicht gegen eine kleine Spende, die Ausstellung ansehen.“

Voraussichtlich ab Herbst 2007 werden Fotos vom Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke, Wrackteile der U 2, Zeitzeugenberichte, Prozessakten und Stücke aus dem Besitz Gary Powers’ Sr. vor den fahlen Betonwänden zu sehen sein, Hans-Dieter Behrendt, lange Jahre für die DDR-Grenzorgane an der Glienicker Brücke im Einsatz, will ebenfalls Fotos beisteuern und seine Erlebnisse dokumentieren. Ergänzt werden soll die Ausstellung um ein kleines Archiv mit Spezialliteratur und eine umfassende Presseschau mit Artikeln zum Thema Kalter Krieg sowohl aus der West- als auch der Ostpresse. „Wichtig ist uns vor allem, dass die Ausstellung keine Partei bezieht, weder für Ost noch West“, erklärt Bärbel Simon. „Der Besucher soll sich seine Meinung selbst bilden.“

Zielgruppe des Museumsprojekts sind vor allem jüngere Menschen, die den Kalten Krieg selbst nicht miterlebt haben. „Wir wollen zukünftige Generationen nicht nur über die Ängste, die Teilung und die Gefahren, die den Kalten Krieg förderten, informieren – sondern auch Lernmöglichkeiten entwickeln und die Auswirkungen des Kalten Krieges auf öffentliche Politik und Verwaltung, auf die Sicherheitspolitik, den internationalen Frieden und die Rüstungskontrolle darstellen“, sagt Simon. „Gerade jetzt, wo zwar der Machtkampf zwischen Ost und West ausgestanden ist, nicht aber die Bedrohung der westlichen Welt durch den internationalen Terrorismus, ist es wichtig, alle Sinne für den Frieden zu schärfen.“

Führungen durch den Atombunker Harnekop: sonnabends, sonntags und feiertags jeweils um 10-11.30 Uhr, 12-13.30 Uhr, 14-15.30 Uhr und 16-17.30 Uhr. Mindestgruppengröße: fünf Personen. Vorherige Anmeldung erbeten. Jeden letzten Freitag des Monats: Bunkertour mit Taschenlampe (19 bis 21 Uhr, Einlass ab 18.30 Uhr). Anmeldungen bis letzten Mittwoch im Monat. Sondertermine nach Vereinbarung! Anmeldungen unter Tel. 033436/357 27. Informationen im Internet unter www.atombunker-harnekop.de

Andrea Keil

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