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Brandenburg: Katholische Bilderlust überflutet den Besucher

Stiftung macht Kloster Neuzelle wieder attraktivVON WERNER VAN BEBBER NEUZELLE.Teppichklopfstangen und Autos stehen auf dem Klosterhof.

Stiftung macht Kloster Neuzelle wieder attraktivVON WERNER VAN BEBBER NEUZELLE.Teppichklopfstangen und Autos stehen auf dem Klosterhof.Der Barockgarten wurde zum Sportplatz, die Orangerie als Turnhalle genutzt: Noch ein paar Jahre DDR, und die Säkularisierung des Klosters Neuzelle wäre wohl vollendet gewesen, durch Substanzverschleiß.Nun soll fast alles anders werden.Brandenburgs Kulturminister Steffen Reiche will aus der Klosteranlage, die im Lauf einer jahrhundertelangen Geschichte gleich dreimal verstaatlicht worden ist, wieder ein selbständiges Gebilde machen - die Stiftung Neuzelle.Der Zweck der vor kurzem gegründeten Stiftung besteht einerseits in der Erhaltung und der Wiederherstellung der Zisterzienserbauten, andererseits in der Herstellung eines kulturellen Anziehungspunktes im Osten der Mark. Es ist ein kompliziertes Unternehmen, das der Geschäftsführer der Stiftung, Walter Ederer, verwirklichen soll.Noch sind davon nur die rechtliche Form und die alten Baukörper zu erkennen.Die haben es allerdings in sich.Wer die katholische Pfarrkirche betritt, vergißt schlagartig die Teppichstangen und Trabants auf dem Platz vor dem Gotteshaus.Nicht in Brandenburg scheint diese Kirche zu stehen, sondern in Bayern oder Österreich.Pfarrer Johannes Magiera erklärt das baukünstlerische Wunder auf: "Süddeutsch geprägt" sei die Ausstattung der Kirche, weil die im Mittelalter entstandene Neuzeller Anlage bis 1815 zu Sachsen gehörte.Katholische Bilderlust wurde im 18.Jahrhundert zu Figuren, Fresken und Stukkaturen; sie überflutet jeden Besucher dieser Bastion der katholischen Diaspora im protestantischen Brandenburg noch heute.Die Kirche, sagt Pfarrer Magiera, sei ein "gebautes Glaubensbekenntnis", gestaltet wie eine "Prachtstraße", vorbeiführend an zwei Reihen von Altären mit Kirchen- und Ordensheiligen bis hin zu der "Himmelstür", die auf die Chorwand gemalt ist. Und nicht allein die katholische Kirche macht das Neuzeller Kloster zu etwas besonderem.Die Anlage, sagt Ederer, sei die einzige aus Zisterzienserhand, deren Mauern noch fest geschlossen und erhalten sind.Dazu gehört auch eine kleinere evangelische Kirche, deren Ausstattung weit über den märkischen Purismus hinausgeht.Die Zisterzienser wußten, das ahnt man noch heute, was sie dem Ansehen ihres Ordens und ihres höchsten Herrn schuldig waren, und betrieben entsprechenden Aufwand.Sie trugen sogar einen Teil des Hügels ab, auf dem die Anlage gebaut wurde.Des Klosterhügels sanft geschwungener Rest ermöglicht nun den Blick über die Anlage und die Oderauen, und Walter Ederer behauptet aus nachvollziebaren Gründen, daß auf der Hügelkuppe "der Geist des Ortes" zu spüren sei. Doch jenseits der Klostermauern lauerte vor 180 Jahren König Friedrich Wilhelm III.von Preußen.Nachdem er durch Beschluß des Wiener Kongresses von 1815 in den Besitz der Lausitz gelangt war, verfügte er zwei Jahre später die Verstaatlichung des kompletten Klostervermögens.Vermögend blieben die Äbte und Mönche trotzdem - jedenfalls bis 1955.Da verfügten die Mitglieder des Rates des DDR-Bezirkes Frankfurt (Oder) in einer seltsamen Wiederaufnahme königlich-preußischer Tradition, das Stiftungsvermögen zu verstaatlichen. Mit den Folgen dieses Beschlusses hat sich nun Walter Ederer zu befassen.Der Geschäftsführer der landeseigenen Stiftung "Stift Neuzelle" muß eine ganze Reihe von vermögensrechtlichen Zuordnungen betreiben.Im Lauf der Neuzeller DDR-Geschichte nämlich wurde so manches Stiftsgebäude zweckentfremdet, so manches Grundstück fand einen neuen Nutzer, und irgendwie gehörte allen alles - die Teppichklopfstangen auf dem Klosterhof, die Wohnungen in den klösterlichen Wirtschaftsgebäuden.Derart wirr war die Vermögenslage, daß die Neuzeller Gemeindeverwalter erst 1991 erfuhren, was angeblich DDR-Behördenbeschluß von 1963 war: daß nämlich die Gemeinde Neuzelle als Rechtsträger des Klosterkomplexes fungierte.Dies behauptet jedenfalls der Denkmalpflege-Experte Alfred Hasler in einem einschlägigen Aufsatz über die Neuzeller Anlage. Immerhin sind sich Ederer und der Neuzeller Amtsdirektor Hans-Georg Köhler darin einig, daß man nun gemeinsam und behutsam die Dinge neu ordnen muß.Köhler weiß, daß Neuzelle von der Anziehungskraft des Klosters profitiert: An die 60 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr in den kleinen Ort am Ostrand Brandenburgs.Ederer weiß, daß er die Einnahmen aus klösterlichen Liegenschaften braucht, um die Wiederherstellung des Anwesens finanzieren zu können.Das wird freilich Jahre dauern.Zwar ertüchtigen sich keine Schüler mehr in der Orangerie der Mönche, doch wird, wie der Geschäftsführer vermutet, allein die Rekonstruktion des barocken Parks sechs bis sieben Millionen Mark kosten - ganz zu schweigen von der denkmalgerechten Sanierung des Kreuzgangs, in dessen Gemäuern Klempner profane Wasserleitungen legten, die nun rotten, zu schweigen auch von der Sanierung des Refektoriums, dessen Boden mit den Feldlinien für diverse Hallensportarten markiert ist.Ohne Fördergelder des Landes ist nicht viel zu machen, wie Ederer weiß.Zweieinhalb Millionen Mark stellt Kulturminister Steffen Reich jährlich zur Verfügung.Andere Fördergelderquellen müssen erst freigelegt werden.Was ansonsten für die erwünschte Kulturarbeit notwendig ist, muß Ederer erwirtschaften. Doch soll, was er plant, zum gegenseitigen Nutzen der Gemeinde und der Stiftung vorangetrieben werden.Im Klostergarten könne man im Sommer auch Filme aufführen, sagt Ederer.Der Kreuzgang und so mancher Raum eigneten sich für Ausstellungen.Und in Zusammenarbeit mit Neuzeller Gymnasiasten will der Geschäftsführer der Jazzmusik einen Ort im Klosterstift geben.Erfahrungen im Kulturmanagement hat Ederer unter anderem bei der Neuköllner Oper gesammelt.Dem Klosterleben ist er von Jugend an zugetan: Er stamme aus einer Kleinstadt im Schwarzwald, in der es ebenfalls ein Kloster gab, sagt er, "und da fand immer sehr viel statt".Erst einmal steht seine Arbeit in Neuzelle unter einem Motto unbekannter Herkunft.Ederer las es beim Rundgang durch das Stiftsgebäude an der Wand der Aula, die einmal das Refektorium war.Zur Erbauung der Schüler, doch auch zutreffend auf die Vermögensansprüche der Stiftung und Ederers Pläne in Neuzelle steht dort geschrieben: "Ich fordere von Dir, weil ich Dich achte."

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