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Brandenburg: "Keine Bange, kein Wahlkampf"

POTSDAM .Nach einer Minute ist das Eis gebrochen.

POTSDAM .Nach einer Minute ist das Eis gebrochen.Der prominente Politiker Jörg Schönbohm, der bisweilen als kühl-distanziert beschrieben wird, hat kurz auf einen Jungen in der ersten Bankreihe gezeigt, der den markantesten Haarschnitt der gesamten Schulklasse trägt: mehrere steil abstehende blonde Haarpyramiden, mit blauen Spitzen."Mein 16jähriger Enkel hat auch so eine Frisur.Ich habe gelernt: Das ist der letzte Schrei.Bei mir geht es ja nicht mehr", sagt Jörg Schönbohm und zeigt auf sein gelichtetes Haupt.Gelächter unter den 16- und 17jährigen im Raum: Schnell entwickelt sich ein lockeres, dann sogar über das Pausenklingeln hinausgehendes Gespräch über Schule, Politik, über Schönbohms Werdegang vom Dorfschüler in Bad Saarow zum Bundeswehrgeneral und HardthöhenStaatssekretär, zum Innensenator in Berlin und heutigen "Edelpensionär", wie Schönbohm seine aktuelle Tätigkeit mit feiner Selbstironie formuliert."Keine Bange, kein Wahlkampf!" Dies hat der CDU-Landeschef und Stolpe-Herausforderer gleich zu Beginn seiner Visite dem Direktor der Potsdamer Carl-Friedrich-Benz-Realschule versichert, in Anspielung auf seinen kürzlichen Rausschmiß aus einem Polizeirevier in Bernau und den anschließenden Parteienstreit.Eher ein Lernbesuch, wie er sagt.Aber natürlich sind Pressevertreter ausdrücklich erwünscht.

Und es ist kein Zufall, daß Schönbohm im Rahmen seiner Tagestour durch Potsdam eine Realschule und keine Gesamtschule besucht, von denen es nach Ansicht der CDU "aus ideologischen Gründen" viel zu viele in Brandenburg gibt.Bildungspolitik soll schließlich einer der Hauptschwerpunkte im CDU-Wahlkampf sein."Wenn von den 900 Gesamtschulen in der Bundesrepublik rund 250 in Brandenburg sind, kann etwas nicht stimmen", sagt Schönbohm.Und rennt mit seinem Plädoyer gegen die Vernachlässigung von Gymnasien und Realschulen bei den Lehrern der Schule, mit denen er im Anschluß in kleiner Runde diskutiert, offene Türen ein.Ein Heimspiel.Was bei allen Stationen auffällt: Ähnlich wie Ministerpräsident Stolpe bei dessen "Kreisbereisungen" gibt sich Schönbohm als aufmerksamer Zuhörer, der nachhakt, sich Probleme detailliert erklären läßt.Einer, der in diesen Tagen des Vor-Wahlkampfes vor allem Argumente, Munition für die kommenden politischen Gefechte sammelt: möglichst konkrete Episoden, die er später komprimieren, zuspitzen, in Reden oder Interviews einbauen kann.

Da paßt das Gespräch mit Unternehmern an diesem Morgen in einem Potsdamer Autohaus dazu.Jürgen Jacob, Geschäftsführer einer Möbelfabrik in Trebbin, der aus einem Ein-Mann-Betrieb eine 75-Mitarbeiter-Firma machte, klagte Schönbohm sein Leid über die brandenburgische Bürokratie.Seit fünf Monaten wartet sein Unternehmen auf die Baugenehmigung für die Erweiterung einer Standard-Werkhalle, obwohl die Firma in einem Gewerbegebiet liegt.Fünf Monate - trotz der angeblichen Lockerung der Bauordnung."Im bayerischen Ingolstadt", sagt Jacob, "hat die Genehmigung derselben Halle drei Wochen gedauert." Für Schönbohm ein "typischer Fall".

NACHGEHAKT

Wann wird Potsdam eine blühende Landeshauptstadt?

Was muß passieren, damit sich Potsdam zu einer blühenden Landeshauptstadt entwickelt? Über Versäumnisse der Stadt- und Landesregierung in den vergangenen Jahren und Potsdamer Dauerbrenner sprach Thorsten Metzner mit dem CDU-Landesvorsitzenden Jörg Schönbohm.

TAGESSPIEGEL: Herr Schönbohm, tut die Stolpe-Regierung genug für Potsdam?

SCHÖNBOHM: Nein.Wenn man durch Potsdam geht, stellt man fest, daß im Vergleich zu anderen ostdeutschen Hauptstädten sehr viel liegengeblieben ist.Das liegt natürlich zunächst in Verantwortung der alten Stadtregierung, die nicht umsonst abgewählt wurde.Aber auch das Land wird seiner Verantwortung nicht genügend gerecht.Ich denke nur an den drohenden Kulturkahlschlag.

TAGESSPIEGEL: Soll Potsdam von der Regierung finanziell geholfen werden, um eine Abwicklung der Brandenburgischen Philharmonie zu verhindern?

SCHÖNBOHM: Ganz klar, Stadt und Land müssen gemeinsam die Erhaltung des Orchester sichern.Potsdam braucht eine kulturelle Mindestausstattung, die für eine Landeshauptstadt angemessen ist.Das kann die Stadt nicht aus eigener Kraft.

TAGESSPIEGEL: In Berlin gibt es rund 30 Theater und Konzerthäuser.Ist ein eigenes Theater, eine eigene Philharmonie in Potsdam nicht verzichtbar?

SCHÖNBOHM: Nein.Ein Potsdamer Theater kann auf die Wünsche, auf die Vorstellungen der Menschen in der Stadt und dem südlichen Umland besser und anders eingehen als die Kultur-Leuchttürme in Berlin.

TAGESSPIEGEL: Was halten Sie von den jüngsten Aussagen von Ministerpräsident Stolpe, man müsse das umstrittene Potsdam-Center aus finanziellen Gründen zu Ende bauen?

SCHÖNBOHM: Nachdem die Dimension des Potsdam-Centers erkennbar ist, wäre der Endausbau der falsche Weg.Dies hieße, obwohl der Fehler erkannt ist, das Stadtbild trotzdem nachhaltig für Generationen zu schädigen.Das Potsdam-Center ist eine Schandtat, für die die damalige SPD-Stadtregierung verantwortlich ist - aber unter Duldung der Landesregierung.

TAGESSPIEGEL: Welchen Standort favorisieren Sie für den künftigen Landtag - ein aufgebautes Stadtschloß am Alten Markt?

SCHÖNBOHM: Ein Aufbau des Schlosses wäre sicher wünschenswert.Aber ehe man über Standorte für den Landtag debattiert, muß Klarheit über eine andere Frage herrschen: Kommt ein neuer Anlauf für ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg? Ich denke, daß die Länderfusion im Jahr 2004 wieder auf der Tagesordnung steht.Man kann keinen Landtag bauen, der zu klein ist.

TAGESSPIEGEL: Müßte der brachliegende Alte Markt nicht vordringlich angepackt werden?

SCHÖNBOHM: Klar ist, daß für einen Schloßaufbau aus dem Potsdamer Stadthaushalt kein Geld verfügbar ist.Aber andere private wie öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten sollten geprüft werden.Ich habe jedoch Verständnis, daß nach der verfehlten Politik der letzten Jahre im Rathaus zunächst die Konsolidierung der Finanzen Priorität hat.Oberbürgermeister Platzeck muß sehen, wie er Mehrheiten für diesen Kurs findet.

TAGESSPIEGEL: Stünde die CDU als Koalitionspartner in Potsdam zur Verfügung?

SCHÖNBOHM: Wenn es die SPD als stärkste Fraktion für notwendig hält, würden wir uns solchen Gesprächen nicht verschließen.Natürlich nicht um jeden Preis.Ich glaube, daß es gut für Potsdam wäre, wenn es stabile Mehrheitsverhältnisse im Rathaus gäbe.

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