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Brandenburg: Keine Tiefflüge über die Heide

Die Verwaltungsrichter haben entschieden: Die Bundeswehr darf den Truppenübungsplatz bei Wittstock nicht nutzen – vorerst

Mirow/Wittstock. In einem Eilverfahren haben die Potsdamer Verwaltungsrichter am Freitag beschlossen, dass die Bundeswehr beim „Bombodrom“ erst einmal abwarten muss. Denn über die Straßen der Gemeinde Schweinrich, die über den Truppenübungsplatz führen, dürfen keine Militärfahrzeuge rollen – zumindest solange, bis ein endgültiges Urteil über die Straßennutzung gesprochen ist. Dieses erwartet Richterin Ingrid Schott „nicht mehr in diesem Jahr“. Bevor das „Bombodrom“ in Betrieb genommen werden kann, müssen noch weitere Rechtsstreitigkeiten mit anderen Dörfern geklärt und über die Auswirkungen des Fluglärms entschieden werden. Ursprünglich wollte die Bundeswehr schon Mitte August ihre Tiefflugübungen aufnehmen, hatte aber dann bis zu einem Gerichtsentscheid freiwillig auf die Nutzung verzichtet.

Schweinrich grenzt an das 144 Quadratkilometer große Übungsgelände. Das Dorf hatte wie andere Kommunen nach dem Abzug der russischen Streitkräfte 1992 Wege und Straßen zurückerhalten, die über den Truppenübungsplatz führen. „Das war ein Fehler der Oberfinanzdirektion Cottbus“, sagt Richterin Schott. „Die Behörde wusste nicht, dass sich die Wege in einem Übungsgelände befanden und widerrief später ihren Zuordnungsbescheid.“ Schweinrich reichte im vergangenen Jahr dagegen Klage ein.

Mit Trommelwirbel, Freudengesängen und Sekt feierten rund 120 Anhänger der Bürgerinitiativen „Freie Heide“, „Freier Himmel“ und „Pro Heide“ in Mirow an der Müritz die Nachricht vom Potsdamer Verwaltungsgericht. „Gerade an der Mecklenburgischen Seenplatte wären durch den Krach der Tiefflüge rund 3000 Arbeitsplätze in Hotels und anderen touristischen Betrieben gefährdet“, sagte Biobauer Wilhelm Schäkel. Er hat seinen Hof an der nördlichen Brandenburger Landesgrenze. „Beim Lärm der Tornados will schließlich niemand Urlaub machen.“ Helmut Schönberg, Bürgermeister von Schweinrich, warnte allerdings vor einer „zu großen Euphorie“. Das Gericht habe allein nach formalen Gründen entschieden. Wirtschaftliche oder gesundheitliche Aspekte von Tiefflügen hätten noch gar keine Rolle gespielt.

Das Bundesverteidigungsministerium will nun prüfen, ob es den Beschluss des Verwaltungsgerichts anficht, hieß es am Freitag. Noch sei nichts entschieden, hieß es bei der Initiative „Pro Bundeswehr“, die die Tiefflüge befürwortet. Und Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) hofft weiter auf 150 Arbeitsplätze durch die versprochene Garnison mit 750 Soldaten.

In den nächsten Monaten müssen die Verwaltungsrichter drei weitere Klagen über das „Bombodrom“ entscheiden. Dabei kommt dem Antrag der Gemeinde Lärz eine große Bedeutung zu. Das Dorf liegt in der Ein- und Ausflugschneise. „Wir fühlen uns durch die Tiefflüge in unserer kommunalen Planungshoheit beeinträchtigt“, erklärte Gemeindevertreter Gerhard Schneider. Die örtliche Hotellerie und Biobauern sehen keine Perspektive, wenn das „Bombodrom“ genutzt werde. „Wer kauft schon Eier von Hühnern, die von jedem Tiefflieger aufgeschreckt werden?“ fragte Schneider.

Die Bundeswehr beruft sich dagegen auf das Recht, überall in Deutschland Tiefflüge bis 450 Meter Höhe abhalten zu können. Diese Höhe werde auch beim Ein- und Ausfliegen aus dem Übungsplatz Wittstock eingehalten. Ein von der Bürgerinitiative in Auftrag gegebenes Lärmgutachten spricht allerdings von „erheblichen gesundheitlichen Belastungen“ durch die Tiefflüge bei den Anrainern des Übungsplatzes.

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