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Brandenburg: Kleines Dorf, großer Sohn

Erst nach vielen Jahren kehrte Max Schmeling in seinen Heimatort in der Uckermark zurück – und half

Klein Luckow - Ganz früh machte sich am 29. September 1905 der Bauer August Fuchs mit dem Pferdewagen auf den Weg durch die uckermärkische Heide. Von Klein-Luckow in der Nähe von Pasewalk fuhr er in das wenige Kilometer entfernten Spiegelberg, um im dortigen Standesamt die Geburt eines Enkels am Vortag anzuzeigen. Der Beamte trug den Namen des Säuglings – Max Schmeling – in die Urkunde ein und kassierte die Gebühren. Der Vater des Jungen befand sich zum Zeitpunkt der Geburt als Seemann irgendwo auf den Meeren. Und Klein Luckow im heutigen Mecklenburg-Vorpommern, kurz hinter der Brandenburger Landesgrenze, sollte nur ein Dreivierteljahr die Heimat von Max sein. Dann zog seine Mutter Amanda zu den Schwiegereltern auf ein Gut bei Stettin, kurze Zeit später nach Hamburg – des Berufs des Vaters wegen. Aber Max Schmeling kehrte noch einmal für zwei Jahre in die Uckermark zurück. Als Neun- bis Elfjähriger lebte er zusammen mit seinem Bruder bei seinem Großvater in Bandelow in der Nähe von Prenzlau. Danach sollte es 75 Jahre dauern, bis der berühmte Sohn der Uckermark wieder einen Fuß auf die heimatliche Erde setzen würde.

In der Mark Brandenburg aber lebte Max Schmeling eine Zeit lang. Zwischen 1930 und 1938, in Bad Saarow. In der kleinen Kirche des Ortes am Scharmützelsee feierte er am 22. Juli 1933 auch seine Hochzeit mit der Schauspielerin Anny Ondra. Auf dem so genannten Dudel – einer Insel in den sumpfigen Wierichwiesen – kaufte er 1933 ein Haus, doch 1936 brannte das von einem weit geschwungenen Schilfdach geschmückte Gebäude nach einem Blitzschlag ab. Es wurde wieder aufgebaut – aber nach dem Krieg fing es erneut Feuer. Danach erhielt es ein schlichtes Ziegeldach und diente bis zur Wende als Ferienheim.

Ebenfalls 1936 hatte Anny Ondra für ihre Mutter eine reetgedeckte Villa in der Bad Saarower Moorstraße bauen lassen. Diese aber starb noch vor dem Einzug. So zogen Schmeling und seine Frau in das Haus. Später verkauften sie es. Im August 2001 wurde die damals leer stehende Villa durch ein vermutlich von Brandstiftern ausgelöstes Feuer vernichtet. Nach Bad Saarow kehrte Schmeling später nicht mehr zurück.

Anders als nach Klein Luckow: 1991 schaute er hier wieder vorbei. Und ist in dem heute gerade 150 Einwohner zählenden Dorf bis heute nicht vergessen. Zwei Häuser tragen eine große Tafel mit seinem Namen: das Geburtshaus und der Saal der Freiwilligen Feuerwehr. Hier verliehen ihm die Einwohner am 23. September vergangenen Jahres die Ehrenbürgerschaft. Schmelings angeschlagene Gesundheit erlaubte ihm aber den Besuch nicht. Er schickte seinen Privatsekretär und ein Dankesschreiben, in dem er seine „außerordentlich große Freude“ über die Ehre den Klein Luckowern mitteilte.

Es gibt in dem winzigen Dorf sogar ein vierköpfiges Max-Schmeling-Komitee. Dessen Chef, der ehrenamtliche Bürgermeister Alfred Fiebig, bewahrt die wichtigsten Dokumente noch zu Hause. „Spätestens im nächsten Frühjahr richten wir ein Max-Schmeling-Zimmer ein“, sagt er. „Dann kommen die Briefe, Fotos und Zeitungsausschnitte an die Wand. Außerdem besitzen wir ein Paar signierte Boxhandschuhe.“ Das Gedenk-Zimmer werde sogar an einem authentischen Ort entstehen: Schließlich gehörte der einstige Kuhstall zum früheren Bauernhof des Großvaters. Zu DDR-Zeiten sei Max Schmeling in seinem Geburtsort kein Thema gewesen. Erst als die örtliche Pastorin nach der Wende auf einem Kirchenseminar in Hamburg davon erzählte, dass der Boxchampion in ihrem Dorf zur Welt gekommen sei, rieten die Fachkollegen zur Kontaktaufnahme. Wenig später kreuzte Schmeling in der Uckermark auf, besichtigte sein Geburtshaus und gab dem damaligen Hausbesitzer einen gefüllten Umschlag. Wie im Dorf erzählt wird, soll sich der Gast erheblich über den schlechten Zustand des Gebäudes an der Hauptstraße geärgert haben. Im Umschlag, so heißt es, befand sich etwas Startkapital für die Renovierung.

Sympathien erwarb sich Schmeling in Klein Luckow und Umgebung aber durch ein dauerhaftes Engagement: Seine Stiftung unterstützt eine Sozialhelferin mit jährlich 7500 Euro. Dafür kümmert sich die Frau um ältere Menschen. Für derzeit 28 Bewohner erledigt sie Einkäufe, organisiert Arzt-Besuche, kümmert sich um Formulare. Außerdem schickte Schmeling aus Dank für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft einen Scheck über 10 000 Euro an die Gemeinde: „für soziale Zwecke“. Vielleicht beteiligt sich die Max-Schmeling-Stiftung auch an der Renovierung der Kirche. Deren Turm ist windschief und einsturzgefährdet. Eine Unterstützung durch die Stiftung sei möglich, habe Schmelings Sekretär gesagt, es müsse aber ein konkretes Projekt zur Sicherung des Gotteshauses geben, sagt Bürgermeister Fiebig. „Das haben wir noch nicht geschafft. Vielleicht liegt es an der Summe, die in die Kirche gesteckt werden müsste – schätzungsweise 250 000 Euro.“ Dabei fragten sich manche Einwohner, ob denn die Kirche angesichts der Abwanderung der Menschen überhaupt noch gebraucht würde. Doch da ist Fiebigs Haltung eindeutig: „Die Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist ein Kulturerbe.“ Die Gespräche mit der Stiftung sollen im Frühjahr fortgesetzt werden.

„Ich habe gehört, dass jetzt viele Pokale, Urkunden und andere persönliche Dinge dieses wunderbaren Sportlers und Menschen versteigert werden sollen“, sagt der Klein Luckower Bürgermeister. „Bestimmt kommt dabei eine hohe Summe zusammen. Vielleicht kann auch unsere Kirche von dem Geld profitieren.“ Eine dritte Tafel für Max Schmeling in dem kleinen Dorf wäre dann sicher.

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