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Brandenburg: Koalitionskrise: Brief an Bush spaltet jetzt auch die Union Jörg Schönbohm gerät innerparteilich unter Druck Fraktionschefin Blechinger empört über seine Eskapaden

Potsdam. In Brandenburgs CDU liegen die Nerven blank.

Potsdam. In Brandenburgs CDU liegen die Nerven blank. Hauptgrund ist die Sorge, dass die „erfolgreiche Große Koalition" platzen könnte. Intern stehen deshalb CDU-Landeschef Jörg Schönbohm und sein Stellvertreter Sven Petke in der Kritik, denen die Schuld an der Koalitionskrise gegeben wird. Zusätzliche Aufregung bei der CDU lösten am Freitag bekannt gewordene Einzelheiten über die Szenarien von SPD- und PDS-Strategen für einen Wechsel zu Rot-Rot aus. „Es ist viel ernster, als wir dachten", gestand ein CDU-Politiker ein. Zwar sprach sich gestern Abend der etwa 30-köpfige SPD-Landesausschuss mit großer Mehrheit für die Fortführung der Großen Koalition aus, knüpfte dies allerdings an eine Bedingung: Die Union müsse entscheiden, ob die Petkes oder Blechingers, die Polarisierer oder die Besonnenen, das Sagen haben, so SPD-Partei- und Regierungschef Matthias Platzeck. Für die SPD sei die Grenze des Zumutbaren erreicht.

Nach Tagesspiegel-Recherchen gärt es heftig in der engeren Führungsspitze der märkischen Union. Bei einem Krisengipfel am Donnerstagabend, an dem neben Jörg Schönbohm die CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger, der parlamentarische Geschäftsführer Dierk Homeyer und CDU-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns teilnahmen, soll es dem Vernehmen nach „zu heftigen Auseinandersetzungen" gekommen sein. Blechinger soll sogar mit Rücktritt gedroht haben. Die Fraktionsspitze sieht sich offenbar um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Durch „provokante Aktionen“ gegen die SPD verschlechterten sich die Verhandlungspositionen der CDU zum Beispiel in der kommenden Haushaltsdebatte, sagte ein Christdemokrat. Hingegen macht man in Schönbohms Umfeld Blechinger dafür verantwortlich, dass die umstrittene Solidaritätsadresse an US-Präsident George Bush nicht gestoppt oder umformuliert worden sei. Eine Mehrheit der Fraktionsmitglieder, darunter auch Schönbohm selbst, hatte sie unterzeichnet. Inzwischen haben sich jedoch einige CDU-Parlamentarier dafür bei der SPD entschuldigt. Schönbohm selbst hatte die Adresse als „Fehler" bezeichnet und erklärt, er habe sie nicht gelesen.

Forderungen aus der SPD, Schönbohm solle zurücktreten, wurden von führenden Unionspolitikern abgelehnt. Gleichwohl wird eingeräumt, dass er durch seine jüngsten Eskapaden auch innerparteilich „geschwächt“ worden sei, zumal seine Forderung nach einem Folter-Freibrief auch von der Bundespartei gerügt wurde. Schönbohm selbst gab sich am Freitag nach Berichten aus Koalitionskreisen „zerknirscht“. Donnerstagabend hatte er vergeblich versucht, Platzeck für ein „Versöhnungsgespräch“ zu erreichen. Es soll jetzt am Dienstag stattfinden.

Auf der Sitzung des SPD-Landesausschusses wurde die Forderung nach Einberufung eines Sonderparteitages, mit dem Vize-Parteichefin Katrin Molkentin einen Wechsel zur PDS einleiten wollte, einhellig abgelehnt. Dafür gebe es keinen Anlass, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. „Wir sind keine Hasardeure. Wir wollen den Koalitionsvertrag einhalten.“ Doch müsse die Union klären, ob sie einen pragmatischen Kurs verfolgen oder „Speerspitze gegen Rot-Grün“ sein wolle. Zwar hat Schönbohm inzwischen signalisiert, dass er sich im Interesse der Koalition zurücknehmen wolle. Doch bezweifeln auch Christdemokraten, „ob er das kann“.

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