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Brandenburg: Kommentar: Genossenschaft Cottbus

Wer sich in Cottbus mit Vorkämpfern der Bürgerbewegung unterhält, hört depressive Töne. Die Seilschaften ehemaliger Stasi-Leute und früherer Mitglieder von SED und Blockparteien hätten kaum weniger Macht als früher.

Von Frank Jansen

Wer sich in Cottbus mit Vorkämpfern der Bürgerbewegung unterhält, hört depressive Töne. Die Seilschaften ehemaliger Stasi-Leute und früherer Mitglieder von SED und Blockparteien hätten kaum weniger Macht als früher. "Die verstehen sich, auch ohne Worte", sagt ein Kommunalpolitiker, der in der Wendezeit auf einen Neubeginn gehofft hat. Und heute diagnostiziert, Demokratie gebe es in Cottbus nur formal. Zwar werde gewählt, und das Stadtparlament debattiere über die Themen der Stadt. Doch Entscheidungen fielen meist anderswo. Alte Bekannte mit DDR-Stallgeruch träfen Absprachen und setzten sie in Verwaltung, Politik und Wirtschaft durch. Die Parteimitgliedschaft sei nebensächlich. Das "alte Lager" dominiere CDU, SPD und PDS. Dagegen kämen die Übriggebliebenen der Bürgerbewegung und Westdeutsche kaum an.

Das mag etwas übertrieben sein, doch angesichts der Indizien für Filz, Korruption und kriminelle Machenschaften einstiger Stasi-Chargen erscheinen grundsätzlich andere Deutungen naiv. Vielmehr wird ein Dilemma sichtbar: Wende und Wiedervereinigung kamen so schnell, dass ein Austausch des alten, meist belasteten Personals in Politik und Verwaltung nur teilweise gelang. Die Helfer aus dem Westen waren oft nur Mittelmaß. So ist der Aufbau einer neuen politischen Klasse ostdeutscher Demokraten über Ansätze kaum hinaus gekommen. Auch heute noch fehlt Personal, selbst in einer 100 000-Einwohner-Stadt wie Cottbus. Viele Jüngere ziehen lieber in den Westen.

Von Stagnation und Korruption bemerkt die Öffentlichkeit meist nur wenig. Das Interesse an Aufklärung war allerdings bei Journalisten, Politikern und Bürgern lange Zeit gering. Hätte die "Lausitzer Rundschau" nicht die skandalösen Umtriebe in der kommunalen Wohnungsgesellschaft GWC enthüllt, wäre Cottbus Cottbus geblieben. Mit einem gar nicht so schlechten Ruf: Die Erinnerung an die Bundesgartenschau von 1995, die erste in Ostdeutschland, ist noch präsent. Auch die Erfolge des FC Energie gelten als Aufschwung-Story. Doch das Demokratie-Defizit war auf Dauer nicht zu verbergen.

Wie soll es weitergehen? Die ehemaligen Stasi-Leute, denen der Aufstieg gelang, sind kaum zu verdrängen. Gefestigter Wirtschaftsmacht lässt sich nur mit einem politischen Korrektiv begegnen. Da könnte die Oberbürgermeister-Wahl ein Anfang sein. Aber mit wem? Ein Häuflein frustrierter Veteranen der Bürgerbewegung, ein aus dem Westen stammender Spitzenkandidat der SPD, eine Handvoll unzufriedener Christdemokraten - das Potenzial möglicher Reformer ist übersichtlich. Eine Galionsfigur mit der Ausstrahlung eines Matthias Platzeck ist nicht zu erkennen. Und dass der amtierende Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt nach mehr als elf Jahren Amtszeit die Kraft aufbringt, den mitverschuldeten Filz einzudämmen, wird weithin bezweifelt. Obendrein zeichnet sich eine bizarre Alternative ab. Der zum Multi-Unternehmer mutierte frühere Stasi-Hauptmann Helmut Rauer führt den kürzlich gegründeten Verein "Pro Cottbus - pro Lausitz". Nur eine Lobby lauterer Lokalpatrioten? Oder doch ein Wahlverein? Die Perspektive wäre gruselig: Ein Ex-Stasi-Offizier erobert das Rathaus. Brandburg gilt manchem als "kleine DDR". Cottbus wäre dann ihre Hauptstadt.

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