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Kommentar: Linksschwenk, marsch!

Auf den ersten Blick vollzieht die brandenburgische SPD in den letzten Wochen einen unverständlichen Kurswechsel. Thorsten Metzner erklärt das neue Wohlfahrtsprogramm der Partei.

Alle reden über Hessen und jetzt vielleicht auch über Hamburg. Über die Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti, die mit Beistand der Linken vielleicht zur Ministerpräsidentin werden könnte. Matthias Platzeck ist das vielleicht ganz recht so. So redet keiner darüber, dass er gerade in Brandenburg das politische Koordinatensystem in Richtung Rot-Rot verschiebt, zwei Jahre vor der nächsten Wahl. Was tut sich da in dem Land, wo die Sozialdemokraten immerhin seit gut 18 Jahren, rekordverdächtig, den Ministerpräsidenten stellen?

Für eine Regierungspartei ist die jüngste Volte eine bemerkenswerte: Der Ministerpräsident und Ex-SPD-Bundesvorsitzende, der Brandenburg seit 2002 erfolgreich auf Modernisierung trimmt, der zugleich die Schröderschen Hartz-Reformen gegen alle Widerstände verteidigt hat, entdeckt die Politik der sozialen Wohltaten. Seine Genossen haben ein 12-Millionen-Programm mit allerlei milden Gaben geschnürt, ob ein Schüler-Bafög für sozial bedürftige Abiturienten oder gestaffelte Beiträge für Schulbusse. Plötzlich tritt die SPD auch für ein landesweites Sozialticket in Bussen und Bahnen ein, das sie noch vor drei Wochen im Landtag abgelehnt hat – gegen 30 000 dafür gesammelte Unterschriften, weshalb heute ein Volksbegehren für das Sozialticket startet.

Ganz freiwillig geschieht das nicht. Die SPD reagiert lediglich – getrieben von der als zweitstärkste Kraft inzwischen etablierten Linken, von den Volksinitiativen, die die Linke unterstützt, ja, von einer Grundstimmung im Lande überhaupt, die sich die Regierungspolitik in Brandenburg angesichts vollerer Kassen schon länger etwas sozialer wünscht. Das geht auch an der sozialdemokratischen Basis nicht vorüber. Man fragt sich nur, warum die Führung die Zeichen so spät erkennt. „Vorsorgender Sozialstaat“? Schön und gut, und faktisch mag das 12-Millionen-Paket tatsächlich eines sein, das Menschen aktivieren soll. Es ist nicht die „Gießkanne“, nicht die Staatsfürsorge nach Art der „kleinen DDR“ Manfred Stolpes. Trotzdem muss allein schon der Zeitpunkt des Beschlusses den Verdacht erwecken, hier ginge es nur darum, rechtzeitig vor der Kommunalwahl im Herbst 2008 und der Landtagswahl im Herbst 2009 die Linke nachholend zu überholen. Das kann man sich nur aus einer Position der Stärke heraus einigermaßen ungestraft leisten, als unangefochtene Nummer eins, und das ist die Brandenburger SPD noch.

In der Konsequenz nähern sich Sozialdemokraten und Linke in Brandenburg an. Das Verhältnis entkrampft sich weiter, die politischen Schnittmengen wachsen, nur abgesehen (noch) von der Klima- und Energiepolitik und der Auseinandersetzung um die Zukunft der Braunkohle. Bereitet Platzeck einer rot-roten Koalition im Land ab 2009 das Feld? Umso mehr muss sein Linksschwenk jetzt seine Koalition mit der CDU belasten. Wenn die Christdemokraten unter dem neuen Vorsitzenden Ulrich Junghanns Profil und Glaubwürdigkeit beweisen wollen, können sie Platzecks Wohlfahrts-Offensive nicht einfach durchwinken. In Brandenburg hat der Wahlkampf begonnen.

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