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Brandenburg: Konkurrenz für polnische Erntehelfer

Immer mehr Brandenburger arbeiten als Saisonkräfte auf den Feldern – es gibt nur wenig andere Jobs

Eberswalde - Der arbeitslose Bauhelfer Burkhard Hoffmann aus Eberswalde könnte an den Montagabenden gegen Hartz IV demonstrieren. Aber es ist Zeit für die Apfelernte. „Und ich arbeite lieber als zu meckern“, sagt Hoffmann. Ab nächster Woche wird er täglich nach Wesendahl (Barnim) fahren, um dort auf dem Obsthof Äpfel zu pflücken. Täglich 30 Kilometer hin und 30 Kilometer zurück. Für 3,58 Euro brutto pro Stunde, das ist der Tarif. Wegen des geringen Lohnes gibt es von der Arbeitsagentur noch einmal 13 Euro Tagespauschale dazu.

Sylvia Rummler von der Arbeitsagentur Eberswalde vermittelt seit 15 Jahren Jobs aus der Landwirtschaft an Arbeitslose. Aber so eine Nachfrage wie derzeit hatte sie noch nie. „Wir haben ein Drittel mehr Vermittlungen bei den Erntehelfern als 2003.“ Brachte Rummler im vergangenen Jahr 124 deutsche Arbeitskräfte in den Ernteeinsatz, dürften es in diesem Jahr rund 170 werden. Und das habe auch mit der Diskussion über Hartz IV zu tun: „Immer mehr Menschen kommen jetzt und sagen, ,ich nehme jede Arbeit an.‘“

So versammelten sich jüngst bei einer Informationsveranstaltung in der Agentur 92 Interessierte, Frauen ebenso wie Männer. Auch Hubertus Pillgramm von der Strausberger Beschäftigungsgesellschaft Steremat erklärt die steigende Nachfrage nach Erntejobs nicht nur mit dem darnierderliegenden Arbeitsmarkt, er sagt auch: „Diese Nachfrage wächst mit Hartz IV“. Pillgramm hat die Arbeitsverträge für die Ernte gleich dabei, vorher aber redet er Tacheles: „Die Arbeitgeber und Vorarbeiter sind nicht die Einfachsten im Umgang“, sagt er, „was zählt, ist nur das Soll.“ Das liegt bei einer Tonne Äpfel pro Tag – pro Pflücker. „Am Ende des Monats haben Sie 800 bis 900 Euro netto in der Tasche.“ Jede Seite könne von heute auf morgen kündigen, bei der Arbeit herrsche striktes Rauchverbot, und Äpfel zu pflücken sei „eine wirklich harte Arbeit“.

Anneliese Koriath und Bärbel Bertsch aus Eberswalde unterschreiben trotzdem. „Dieses Jahr waren wir schon in den Kirschen, eine andere Arbeit gibt es ja nicht, und von irgend etwas müssen wir ja die Kinder durchbringen.“

Die Odega Agrargenossenschaft in Groß-Neuendorf bei Letschin (Märkisch-Oderland) gehört zu den größten Gurkenproduzenten in Deutschland. Zurzeit schweben hier 200 Erntehelfer über die Felder, auf den so genannten „Gurkenfliegern“. Das sind Tragflächen, auf denen bäuchlings 20 Erntehelfer liegen und pflücken. Eine Knochenarbeit. Detlef Brauer von der Odega beschäftigt dafür überwiegend Polen, aber auch er hat „in letzter Zeit immer mehr Anfragen von Deutschen bekommen, die hier arbeiten wollen“. Allerdings springen viele von ihnen auch wieder ab. „Die Polen kommen mit einer ganz anderen Motivation her, die wollen Geld verdienen, für die zählt jede Stunde“, sagt Brauer.

Nur eine Viertelstunde mit dem Auto vom Odega-Hof entfernt liegt Genschmar, mit 360 Einwohnern und der höchsten Arbeitslosenquote in Deutschland: 60 Prozent. Im ganzen Kreis Märkisch-Oderland beträgt die Quote 21,4 Prozent – und dennoch sind noch immer zwei Drittel der in diesem Jahr von der Arbeitsagentur Seelow vermittelten 750 Erntehelfer Polen. Aber, sagt Friederike Gramke von der Arbeitsagentur: Auch in ihrem Bereich sei der Anteil der vermittelten Deutschen in diesem Jahr um 30 Prozent gestiegen.

Olaf S, ermeyer

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