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Kriminalstatistik: Weniger Straftaten, aber doppelt so viele Sexualdelikte

Innenminister Schönbohm stellt die Kriminalstatistik für 2008 vor. Eine schlüssige Erklärung für den starken Anstieg von Vergewaltigungen kann er nicht liefern.

Potsdam - Die brandenburgische Polizei hat mit einem drastischen  Anstieg von Sexualstraftaten zu kämpfen. Das geht aus der jüngsten Kriminalstatistik hervor, die Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Dienstag in Potsdam vorstellte. Zwar sank die Zahl der Straftaten insgesamt um 7,7 Prozent auf 209 087 – allein im vergangenen Jahr wurden aber 2497 Sexualdelikte registriert. Das waren 444 mehr als 2007. Allein die Zahl der Vergewaltigungen kletterte von 208 im Jahr 2007 auf 306 Fälle im Jahr 2008, was einer Steigerung um 47 Prozent entspricht. „Wir haben dafür noch keine gesicherte Erklärung“, sagte Schönbohm.

Allerdings deutet nach Einschätzung von Experten vieles darauf hin, dass die auch in Brandenburg aufgelegten Programme gegen häusliche Gewalt mittlerweile Wirkung zeigen. Frauen bringen sexuelle Übergriffe in den eigenen vier Wänden häufiger zur Anzeige, wofür auch die hohe Aufklärungsquote bei Sexualdelikten von 85 Prozent spricht. „Es wird aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld gezogen. Die Sensibilität in der Bevölkerung hat zugenommen“, erklärte Landeskriminaldirektor Roger Höppner.

Nach der Gesamtbilanz ist Brandenburg etwas sicherer geworden. Die Kriminalität ist weiter rückläufig: Selbst an der nun offenen Grenze zu Polen sanken entgegen früheren Befürchtungen die Straftaten von 31 600 auf 24 748. Dort gab es zwar einen sprunghaften Anstieg der Kfz-Diebstähle von 179 im Jahr 2007 auf 379. Doch die Täter, so die überraschende Erkenntnis der Polizei, sind meistens Deutsche, der Anteil polnischer Autodiebe sank auf den Tiefstwert von 12 Prozent. Noch weniger Täter kämen aus der Ukraine, Russland oder Litauen. „Die neue EU-Ostgrenze funktioniert“, betonte Schönbohm.

Er hob zugleich den Rückgang rechtsextremistischer Gewaltkriminalität hervor, die mit 71 Straftaten (wie berichtet) den niedrigsten Stand seit 2001 erreicht hat. Dass sich die Gesamtzahl politisch motivierter Straftaten mit 2182 Fällen (1923) etwas erhöht hat, erklärte Schönbohm so: „Die Menschen schauen nicht mehr weg, wenn Hakenkreuze geschmiert werden“.

Insgesamt wurden 2008 im Land Brandenburg 17 379 Straftaten weniger als 2007 registriert. Es wurden 74 332 Tatverdächtige ermittelt, davon waren 26 Prozent Kinder, Jugendliche und Heranwachsende – etwas weniger als 2007. Auffällig ist der Rückgang der Aufklärungsquote um 5,5 Prozent auf 51,9 Prozent. Zwar liegt diese immer noch über der von Schleswig-Holstein (46,8), Sachsen-Anhalt (46,2) und Nordrhein-Westfalen (46,8). Doch wurmt den ehrgeizigen Schönbohm, der im Herbst in den Ruhestand geht, der Trend sichtlich: „Wir wollen uns mit den Besten messen.“ Als Gründe nannte er unter anderem „Reibungsverluste“ durch die Umstrukturierung der Kriminalpolizei.

Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Linke-Opposition ist es eine logische Folge des Personalabbaus bei der Polizei, die seit 1999 schon 1347 Stellen abgebaut hat und bis 2012 weitere 455 Stellen verlieren soll. Linke-Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg prophezeite, dass wegen geringerer Erfolgsaussichten immer mehr Menschen bei kleineren Delikten wie Diebstählen keine Strafanzeige mehr stellen: „Das Bild wird verfälscht.“

Schönbohm hielt dagegen, dass Brandenburg immer noch mehr Polizisten im Einsatz habe als andere Länder, nämlich einen Beamten auf 266 Einwohner, 2014 würden es 297 Einwohner je Polizist sein. In Sachsen (300), Schleswig-Holstein (373), Thüringen (293) und Baden-Württemberg (368) sei die Polizeidichte geringer. Trotzdem warnte auch Schönbohm vor weiterem Personalabbau bei der Polizei. „Das Ende der FAhnenstange ist erreicht.“ Die größte Herausforderung sei, Polizeipräsenz in immer dünner besiedelten Regionen zu sichern, sagte Schönbohm. Er ließ offen, ob dafür „Gyrocopter“, die exotischen Tragschrauber, angeschafft werden, wie seine Experten empfehlen.

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