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Bombodrom

© dpa

Kyritz-Ruppiner Heide: Bundeswehr weitet Planungen für Bombodrom noch aus

Ein Konzept erklärt das Areal in der Kyritz-Ruppiner Heide zum zentralen Übungsplatz der Luftwaffe. Das Papier wird Mitte November dem Verteidigungsausschuss vorgestellt.

Trotz zahlreicher Niederlagen vor Gericht hält die Bundeswehr nicht nur an der Absicht fest, das sogenannte Bombodrom bei Wittstock im Norden Brandenburgs als Übungsplatz zu nutzen – sondern weitet ihre Pläne sogar noch aus. Das geht aus dem „Konzept für die Nutzung der Luft-Boden-Schießplätze in der Bundesrepublik Deutschland“ hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Mit dem noch als Verschlusssache deklarierten Papier reagiert die Luftwaffe auch auf den Bundesrechnungshof, der vor einem Jahr einen Bedarf an der militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide verneint hatte.

Der Generalinspekteur der Luftwaffe, Klaus Peter Stieglitz, konkretisiert in dem Konzept erstmals, was die Militärs auf dem 120 Quadratkilometer großen Areal vorhaben. So sollen spätestens ab 2017 nicht nur wie bislang bekannt Kampflugzeuge im Tiefflug 1700 Mal pro Jahr den Einsatz gelenkter und ungelenkter Waffen üben. Außerdem sollen auch Bodentruppen mit einer Stärke von bis zu 1000 Mann das Zusammenspiel mit den Fliegern in komplexen Einsatzszenarien erproben.

Die Luftwaffe will das Bombodrom sogar zum zentralen Übungsplatz für sich und die Nato-Partner in Westeuropa etablieren. Ausschließlich der Luft-Boden- Schießplatz Wittstock erfülle in Deutschland die qualitativen Voraussetzungen für „taktische Verfahren im gesamten Einsatzspektrum von Luftstreitkräften“, heißt es. Bislang werden solche Übungen in den USA und Kanada abgehalten. Eine vollständige Verlagerung der Ausbildung ins Ausland sei jedoch nicht vertretbar, heißt es. Zudem verweist die Luftwaffe auf internationale Verpflichtungen etwa bei laufenden Einsätzen, bei der „Nato Response Force“ und den Krisenreaktionskräften der Europäischen Union. „Die aktuelle Nichtnutzung des Luft-Boden-Schießplatzes in Wittstock lässt sich dauerhaft nicht kompensieren“, beklagt die Luftwaffe in dem Papier, über das Mitte November der Verteidigungsausschuss des Bundestages unterrichtet werden soll.

Gerhard Schneider, Sprecher der Bürgerinitiative „Freier Himmel“ sagte: „Das Konzept ist eine Kriegserklärung an Wittstock. So konkret hat sich das Verteidigungsministerium bisher nicht geäußert.“ Der Berliner Rechtsanwalt Reiner Geulen, der die Kläger gegen die Pläne der Bundeswehr vertritt, wertet das Nutzungskonzept als Versuch, insbesondere mit dem Verweis auf komplexe Übungen neue Begründungen für die Unverzichbarkeit der Platzes bei Wittstock nachzuschieben. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Nachtwei, sagte: „Offenkundig sollen Luft-Boden-Schießübungen nach Deutschland verlagert werden. Im Klartext: Sie sollen in Wittstock konzentriert werden.“

In der Tat verweist das Konzept auf einen gerechten Lastenausgleich zwischen den Schießplätzen in Siegenburg (Bayern), Nordhorn (Niedersachsen) und Wittstock. Neben den 1700 jährlichen Einsätzen in Wittstock sind als planerische Obergrenze für Nordhorn 1000 und für Siegenburg 300 Einsatze vorgesehen. Dabei hatte bereits der Bundesrechungshof gerügt, dass die tatsächliche Auslastung der Schießplätze in Deutschland von 1992 bis 2004 um 86 Prozent zurückgegangen sei. Ebenso schöpfe die Bundeswehr die Kapazitäten im Ausland nur zu einem Viertel aus, weshalb eine Verlagerung nach Deutschland abzulehnen sei. Auch zuletzt ging die Zahl der Übungen in Nordhord, Siegenburg und im europäischen Ausland weiter zurück, wie aus dem Bundestag zu erfahren war.

Bislang haben Gerichte die Inbetriebnahme des Bombodroms verhindert, das schon die Rote Armee bis zu ihrem Abzug als Übungsplatz benutzt hatte. Gegen die Nutzung durch die Luftwaffe wehren sich seit 16 Jahren Bürgerinitiativen, Unternehmen und Gemeinden. Auch die Landesregierungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin fordern den Verzicht auf eine militärische Nutzung. Im Sommer 2007 hatte das Verwaltungsgericht Potsdam eine vom früheren Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) erlassene Betriebserlaubnis aus dem Jahr 2003 wegen mangelnder Anhörung von Gemeinde und Unternehmen kassiert. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg ließ die Berufung im Mai dieses Jahres zu, mit einer Entscheidung wird für Mitte kommenden Jahres gerechnet.

Bestärkt sehen dürfte sich die Bundeswehr aber durch den Petitionsausschuss des Parlaments, der am kommenden Mittwoch über die mehr als 40 Eingaben gegen die militärische Nutzung des Bombodroms befinden will. Trotz der Warnungen vor den gravierenden Auswirkungen auf die Tourismuswirtschaft in der strukturschwachen Region wird in der von der Großen Koalition aus Union und SPD getragenen Beschlussvorlage eine militärische Nutzung als „sinnvoll“ bezeichnet – obgleich die Auswirkungen auf die Urlauber reduziert werden sollen. Im Nutzungskonzept der Bundeswehr findet sich davon allerdings nichts.

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