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Brandenburg: Länger als Lebenslang

Urteil der Richter: Frank Schmökel ist für seine Taten voll schuldfähig. Und er kommt nie wieder auf freien Fuß

Neuruppin. Der Gewaltverbrecher Frank soll für die Öffentlichkeit nie wieder zur Gefahr werden. Deshalb verurteilte ihn gestern die Dritte Strafkammer des Landgerichtes Frankfurt (Oder) wegen Mordes, Mordversuches und zweifachen versuchten Totschlages zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung. Er habe am 2. November 2000 heimtückisch den Rentner Johannes Berger in einer Strausberger Kleingartenkolonie erschlagen, um dessen Auto zu rauben. Eine Woche zuvor sei Schmökel mit einem Messer auf zwei Pfleger und seine Mutter losgegangen, damit er seinen Bewachern entwischen konnte. „Für alle Taten ist der Angeklagte voll schuldfähig“, sagte die Vorsitzende Richterin Jutta Hecht. Deshalb komme eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik des Maßregelvollzugs nicht in Frage. Das Gericht folgte damit dem Antrag von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Die Verteidigung hatte 13 Jahre Haft und die Fortsetzung der Therapie im Maßregelvollzug gefordert. Sie kündigte bereits Revision gegen das Urteil an.

Frank Schmökel nahm die rund zweistündige Urteilsbegründung ohne sichtbare Regung auf. Starr blickte er im Gerichtssaal durch seine Brille auf die Tischplatte. Ab und zu schloss der 40-Jährige kurz die Augen und wirkte dann wie abwesend. Vor dem entscheidenden Richterspruch gab der diesmal im dunklen Anzug erschienene Angeklagte sogar noch ein Interview. Auf die Frage, ob er sich denn gerecht behandelt fühle, antwortete er kaum hörbar und mit heiserer Stimme: „Vom Gericht ja, aber nicht von den Medien.“ Die hätten nur seine schlechten Seiten gesehen und Unwahrheiten verbreitet.

Wie an den vorangegangenen zwölf Verhandlungstagen trug er auch diesmal Fußfesseln. Für die Sicherheitskräfte herrschte vor und im Verhandlungssaal höchste Alarmstufe. Um 9 Uhr war Schmökel in der Maßregelklinik am Rande von Brandenburg (Havel) in ein gepanzertes Transportfahrzeug gestiegen. Flankiert von Zivilfahrzeugen des Sondereinsatzkommandos traf die Kolonne 90 Minuten später im Justizzentrum Neuruppin ein. Nur hier erschien dem eigentlich in Frankfurt (Oder) beheimateten Gericht die Sicherheitslage ausreichend, um eine erneute Flucht von Schmökel zu verhindern. Zuvor war es dem Mann seit 1993 sechsmal gelungen, entweder aus der Zelle oder bei begleiteten Ausgängen zu fliehen.

Doch selbst während des am 28. Oktober begonnenen Prozesses trickste der Angeklagte die Wachen im Brandenburger Maßregelvollzug aus: In Kugelschreibern hatte er mehrere Rasierklingen und im Saum seiner Zellengardine sogar ein Feuerzeug verstecken können. Dabei wurde er rund um die Uhr bewacht, und seine Zelle sogar nachts kontrolliert. Gestern verhinderte allerdings das riesige Aufgebot an Polizei und Justizbediensteten jegliche Zwischenfälle.

Trotz des eindeutigen Urteils wird Frank Schmökel die Justiz weiterhin beschäftigen. Denn noch steht nicht fest, wo er die nächsten Jahre verbringt. Derzeit sitzt der in Strausberg im östlichen Berliner Umland aufgewachsene Mann eine 14-jährige Haftstrafe im Maßregelvollzug ab. 1995 hatte er in Mecklenburg ein 12-jähriges Mädchen derart gewürgt und sexuell missbraucht, dass es nur knapp dem Tode entging. Die Tat ereignete sich auf einer seiner zahlreichen Fluchten aus der eigentlich geschlossenen psychiatrischen Anstalt, wo er seit 1993 wegen mehrfacher versuchter Vergewaltigung und anderer Delikte einsaß.

Das Neubrandenburger Gericht attestierte ihm vor sieben Jahren eine schwere psychische Krankheit und befand auf eingeschränkte Schuldfähigkeit. Schmökel wurde als Patient behandelt. Er setzte bei Ärzten und Therapeuten eine Lockerung des Vollzugs durch. Mit Pflegern durfte er auch außerhalb der Anstalt spazieren gehen und auch einkaufen.

Im Oktober 2000 erhielt er sogar die Erlaubnis zu einem Hausbesuch bei seiner Mutter in Strausberg. Die beiden begleitenden Pfleger und der Sozialarbeiter waren gar nicht auf die Gefährlichkeit Schmökels vorbereitet. Im passenden Augenblick stach er sechsmal auf den Pfleger Manfred Schäfer ein. Einen Monat lag der Mann, der in der Verhandlung als Nebenkläger auftrat, im Koma. Sieben Liter Blut hatte er durch die Messerattacke Schmökels verloren. „Ich leide bis heute an Alpträumen und bin arbeitsunfähig“, sagte Schäfer. Das Gericht wertete den Angriff als Mordversuch. Auch einen zweiten Pfleger und seine Mutter verletzte Schmökel. Hier erkannte das Gericht auf versuchten Totschlag.

Auf der anschließenden Flucht erschlug er einen Rentner mit einem Spaten. Schmökel und seine Verteidiger versuchten stets, diese Tat als Ausdruck seiner vom Gutachter bescheinigten „dissozialen Persönlichkeitsstörung“ und einer „multiplen Störung der Sexualpräferenz“ hinzustellen. „Ich vermutete auf dem Grundstück ein Mädchen, das ich schlagen und missbrauchen konnte“, hatte Schmökel beteuert. Wegen einer Augenkrankheit habe er den 60-jährigen Mann mit einem Mädchen verwechselt. „Wir können keine triebgesteuerten Handlungen feststellen“, befand Richterin Hecht. Der Angeklagte habe kurz vor dem Mord an einen Mithäftling geschrieben, dass er auch töten werde, um an ein Auto zu gelangen. Nur aus Habgier und zur Fortsetzung der Flucht sei der Rentner getötet worden. Der von Schmökel stets ins Feld geführte Hass auf den Maßregelvollzug oder auf die Mutter reichten als Motive nicht aus.

Bis 2009 müsste Schmökel noch als Patient im Maßregelvollzug bleiben. Der Staatsanwalt will ihn jedoch sofort in einer gewöhnlichen Haftanstalt unterbringen. Darüber muss die Strafvollstreckungskammer des Frankfurter Landgerichtes befinden. Das Brandenburger Oberlandesgericht hatte Schmökel noch im Vorjahr als „psychisch krank“ eingestuft.

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