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Brandenburg: Lippenbekenntnisse

Studie: Nur jeder dritte Abgeordnete ist für die Länderfusion

Potsdam. Was man sagt, und was man meint: Die Abgeordneten von Berlin und Brandenburg beteuern zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass sie die Länderfusion vorantreiben wollten, doch laut einer neuen Umfrage meint nur jeder dritte von ihnen das auch ernst.

Experten von der Freien Universität Berlin (FU) – darunter der Soziologieprofessor Richard Stöss – haben die Ergebnisse ihrer Umfrage am Mittwoch vor dem Fusionsausschuss der beiden Länder vorgestellt. Der Ausschuss tagt einmal monatlich, um den geplanten zweiten Fusionsanlauf vorzubereiten. Und da zogen dann so manche Parlamentarier gestern ein langes Gesicht: Sie selbst sollen ein Fusionshindernis sein. Nach der FU-Studie sind die Vorbehalte bei den Parlamentariern nämlich deutlich größer als bei der übrigen Bevölkerung. Insgesamt sind 71 Prozent der Berliner und 52 Prozent der Brandenburger (Stand: Sommer 2002) für die Fusion. Das war schwer zu glauben. Ob die Befragung anonym vorgenommen worden sei, wollte ein Berliner CDU-Politiker wissen. Ja, beschieden ihn die Soziologen: Sonst hätte sich wohl kein Parlamentarier als Fusionsgegner geoutet.

Wie Recht Stöss & Co. haben, zeigt sich auch in der SPD-Landtagsfraktion in Potsdam: Obwohl intern kein Hehl daraus gemacht wird, dass der Anteil der wirklich Fusions-Überzeugten weit unter einem Drittel liegt, zeigen die Gegner kaum Flagge. Offenbar, weil das nicht opportun ist, denn Partei- und Regierungschef Matthias Platzeck ist auf Fusionskurs. Nicht anders die Lage in der CDU-Fraktion: Niemand widerspricht der Vorsitzenden Beate Blechinger, die ihre Fusions-Abneigung nicht verhehlt. Auch in den PDS-Fraktionen beider Länder sind jenseits vom Potsdamer Landeschef Ralf Christoffers kaum Fusions-Befürworter auszumachen.

Das sei schädlich für das Vorhaben. Stöss mahnte gestern den Konsens der politischen Elite an: Er sei „absolute Voraussetzung“ für die Länderehe – und er steht nicht in den Sternen: Bezieht man Regierungen und Ministerialbürokratie ein, gibt es eine klare Mehrheit für die Fusion. Allerdings wird die Zustimmung dort an Voraussetzungen geknüpft: zuerst den Abbau von Schulden in beiden Ländern. Deshalb will die Mehrheit der Politiker die Fusionsabstimmung nicht an einen festen Termin knüpfen.

Auch die Stimmung in der Bevölkerung haben die FU-Experten untersucht. Danach wird die Fusion vor allem von jungen Menschen abgelehnt: In beiden Ländern ist rund die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen dagegen. In Brandenburg gibt es erst bei den über 55-Jährigen überwiegend Zustimmung. Auffällig auch, dass vor allem die Arbeitslosen und Arbeiter gegen die Länderehe sind, in Brandenburg über zwei Drittel. Laut Stöss rekrutieren sich die Fusionsgegner „hauptsächlich aus den Unterschichten“. Ausnahme: Brandenburgs Beamte sind auch gegen die Fusion. Sie fürchten eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und sind dem Argument, dass die Fusion sich rechne, nicht zugänglich.

Michael Mara

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