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Brandenburg: Manfred Stolpe im Interview: Der Mythos Preußen soll entzaubert werden

Herr Ministerpräsident, am 18. Januar jährt sich zum 300.

Herr Ministerpräsident, am 18. Januar jährt sich zum 300. Mal die Selbstkrönung des ersten Preußenkönigs. Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht die preußische Geschichte für das Wir-Gefühl der Brandenburger?

Die Geschichte Preußens ist mit Brandenburg eng verwoben. Brandenburg war das Kernland der Monarchie. Es ist also die Geschichte der Menschen dieses Landes, die es nach fast 60 Jahren Verfremdung wieder zu entdecken gilt und die geeignet ist, Gefühle von Zusammengehörigkeit und Selbstbewusstsein zu fördern.

Reicht es aus, was Schüler derzeit über Preußen, seine Herrscher und Landeskinder der zurückliegenden Jahrhunderte lernen?

Grundsätzlich kann man immer mehr tun, und im Jahr 2001 wird im Rahmen des Preußenjahres die Kampagne "Tolerantes Brandenburg" den Unterricht erreichen. Worte wie Toleranz und Zuwanderung werden nun aus ihrer historischen Entwicklung heraus verständlich, und sie werden durch diese Form von Verständnis handhabbar. Aber natürlich spielen auch "preußische" Tugenden wie Zivilcourage und Loyalität in diesem Zusammenhang eine Rolle. Auch hier geht es letztendlich um Identifikation, denn daraus erwachsen Selbstsicherheit und Weltoffenheit.

Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Rechtsextremisten unter Berufung auf Preußen auf Anhängerfang gehen?

Die Gefahr besteht, aber sie ist heute größer als sie nach dem Preußenjahr sein wird. Preußen wird ja bereits instrumentalisiert. Dies ist aber nur möglich, weil der Begriff "Preußen" heute vielfach mehr den Bauch als den Kopf anspricht. Wenn wirkliches Wissen um die Geschichte Preußens, auch um seine Fehler und Defizite, bei den Menschen vorhanden ist, dann sind sie für Vereinnahmungen des Begriffs sensibel, und sie werden dem etwas entgegensetzen. Wenn man erst einmal verstanden hat, was Zuwanderung für die Entwicklung Preußens bedeutet hat, was Toleranz über das Verhältnis von Individuum zum Gemeinwesen aussagt, dann wird kritisches Denken die Verführbarkeit wesentlich erschweren.

Preußen wurde 1947 von der Alliierten aufgelöst, eine Folge des Zweiten Weltkrieges. In der DDR wurde Preußen lange Zeit totgeschwiegen oder einseitig negativ bewertet. Wie wollen Sie der Versuchung widerstehen, jetzt eine einseitige Preußenrenaissance auszulösen?

Die härtesten Preußenkritiker waren vielfach überzeugte Preußen. Theodor Fontane hat den Geist seiner Zeit so definiert: "Eine unheilvolle Verquickung von Unfreiheit, Militarismus und Spießbürgertum." Preußen war also immer beides, wie seine Wappenfarben, Schwarz und Weiß. Es geht aber eben nicht darum, einer langen Zeit der Schwarzmalerei jetzt die Weißwäscherei entgegenzusetzen. Das Ziel ist vielmehr, Preußen zu entmythisieren, es vom Sockel zu holen.

Herr Ministerpräsident[am 18. Januar jä]

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