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Brandenburg: Marschbereit

Claus DieterSteyer über die Proteste gegen den Abwurfplatz ANGEMARKT Zwei Wochen vor Ostern kann schon heute eine Voraussage getroffen werden: Die Fretzdorfer, Schweinricher, Zechliner und Mirower können es wieder schaffen, in die „Tagesschau“ zu kommen. Die Dörfer zählen zwar nur wenige Hundert Häuser.

Claus DieterSteyer über die Proteste gegen den Abwurfplatz

ANGEMARKT

Zwei Wochen vor Ostern kann schon heute eine Voraussage getroffen werden: Die Fretzdorfer, Schweinricher, Zechliner und Mirower können es wieder schaffen, in die „Tagesschau“ zu kommen. Die Dörfer zählen zwar nur wenige Hundert Häuser. Aber die Gegend zwischen Neuruppin, Rheinsberg und der Müritz stellte in den letzten Jahren den größten Ostermarsch in Deutschland auf die Beine – aus Protest gegen einen riesigen Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide.

Diesmal geht die vor zehn Jahren gegründete Bürgerinitiative „Freie Heide“ von 5000 Teilnehmern aus der ganzen Republik aus. Optimisten rechnen mit der doppelten Zahl. Zweifel an der Größe der Demonstration sind unangebracht. Zu verhärtet scheinen die Fronten zu sein: auf der einen Seite die Bundeswehr mit der jeweils hinter ihr stehenden Regierung und auf der anderen Seite kleine Ortschaften ohne eine starke überregionale Lobby.

Die Ersten wollen Tiefflüge und Bombenabwürfe trainieren; die anderen wollen Touristen in die Gegend holen und ein von Krach und Gedröhn ungestörtes Leben. Da im Kampf Goliath gegen David fast immer der Schwächere die Sympathien besitzt, kann sich die Bürgerinitiative auf starke Unterstützung verlassen. Dabei geht es nicht um eine Anti-Bundeswehr-Stimmung. Gut gemeinte Ratschläge aus der Ferne, die vermeintlich störrischen Dorfbewohner sollten sich angesichts der Weltlage einem Übungsgebiet nicht weiter verweigern, sind fehl am Platz. 40 Jahre haben die Menschen hier mit dem Höllenlärm russischer Maschinen, mit Fehlabwürfen und gesperrten Straßen leben müssen.

Mit der neuen Zeit hofften sie auf ein friedliches Ende. Doch sie spürten die „Arroganz der Macht“, wie es die Bürgerinitiative formulierte. Praktisch über Nacht tauschte die Bundeswehr 1992 die russischen Sperrschilder gegen eigene aus. Über den Köpfen donnerten jetzt Maschinen mit deutschen Symbolen. Die Pfarrer in der Region organisierten die ersten Proteste, und heute steht die Kirche noch immer an der Spitze der Bürgerinitiative.

In ihren Predigtenzitieren sie einfach aus den jüngsten Reden des Bundeskanzlers. Dessen Friedenskurs schließt – so ist in den Anrainergemeinden zu hören – einen Bombenabwurfplatz in einem Touristengebiet von vornherein aus. Damit macht es sich die Bürgerinitiative jedoch zu leicht. Denn so lange ein Staat eine Armee besitzt, muss er auch für die Ausbildung der Soldaten sorgen. Bei der Luftwaffe gehören selbst im Zeitalter von Computersimulationen Bombenabwurf-Trainingsplätze dazu. Deshalb besteht der Verteidigungsminister auf der Heide bei Wittstock. Nur leider hat die Bundeswehr gerade hier jedes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Einwohnern vermissen lassen. Schon aus Trotz werden sich deshalb am Ostersonntag Tausende Menschen auf einsamen Wegen zu einer Kundgebung mitten in der Heide auf den Weg machen.

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