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Mit üblen Absichten. Parkeisenbahner N. ist jetzt in 13 Fällen des schweren Missbrauchs angeklagt. Seine Opfer suchte er sich im Verein in der Köpenicker Wuhlheide. Die Liste der Taten beginnt 2001 und endet 2008.

© IMAGO

Missbrauchsskandal: Angeklagter Eisenbahner war auf Bewährung

Einer der Hauptverdächtigen im Parkeisenbahn-Missbrauchsfall war bereits zu einer Bewährungsstrafe wegen Sexualdelikten verurteilt. Die Polizei hatte den Verein in der Wuhlheide vor dem Mann gewarnt.

Wolfgang Werner kann in seinem Urteil ziemlich hart sein, aber als Gründer des Vereins „Hilfe-für- Jungs“, der sich mit drei Projekten speziell um die Prävention sexuellen Missbrauchs kümmert, ist er auch glaubwürdig. Einer dieser harten Sätze von Werner lautet: „Für Pädophile ist Brandenburg eine Art Selbstbedienungsladen. Die Behörden reagieren hier sehr unsicher auf solche Fälle.“ Werner wohnt in Brandenburg, und sein Urteil bekommt nun auch im Zusammenhang mit den neuesten Wendungen im aktuellen Missbrauchsskandal der Parkeisenbahn Wuhlheide einen Stellenwert.

Werner organisierte mit seinem Projekt „berliner jungs“ die Präventionsarbeit, die der Verein nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle erbeten hatte. Die Verbindung nach Brandenburg wiederum ergibt sich durch mindestens einen ehemaligen Mitarbeiter der Parkeisenbahn, N., und seinen Ex-Freund M., die beide zu den Hauptverdächtigen der Berliner Staatsanwaltschaft gehören. Sie waren nach ihrem Ausscheiden in der Wuhlheide auch bei einem anderen Eisenbahnverein tätig und wollten womöglich ihr Treiben dort ausdehnen oder weiterführen: beim Eisenbahnverein „Hei Na Ganzlin“. Der ist zwar in Mecklenburg-Vorpommern ansässig, hat aber für seine Loks und Bahnen in Bernau eine Triebwagenhalle und ein Gebäude in Lichtenberg, wo wiederum N. mehrfach in minderjähriger Begleitung händchenhaltend gesehen worden sein soll.

In der Halle in Bernau, der Tagesspiegel berichtete bereits am Mittwoch, fanden die Vorstandsmitglieder im vergangenen Jahr gleich zweimal kinderpornografisches Material. Es wurde der Kriminalpolizei Bernau übergeben und landete bei der Staatsanwaltschaft Cottbus unter dem Aktenzeichen 1956 JS 23288/10. „Wir haben damals sofort unsere neuen Kollegen verdächtigt, weil wir die Gerüchte aus der Wuhlheide kannten“, sagt der heutige Vorstand André Maske. Die „Verdächtigen“ waren N. und sein Freund M., gegen die die Berliner Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe erhebt. Die angebliche Verbindung nach Bernau allerdings hat den Berliner Ermittlern bisher nicht wirklich geholfen. Gerüchte, dass auf den gefundenen Videos und Bildern Opfer der Parkeisenbahn waren, bestätigten sich bisher nicht. Es gebe keine Querverbindung, heißt es. Aus der Cottbuser Staatsanwaltschaft verlautete: Die Namen N. und M. würden in der Akte gar keine Rolle spielen. Der Experte Wolfgang Werner wiederum sagt, unabhängig von Namen sei Bernau an sich „ein Zentrum pädophiler Machenschaften“.

Faktisch kann das gefundene Material den beiden ehemaligen Parkeisenbahnern, von denen einer auch als ICE-Schaffner bei der Deutschen Bahn arbeitete, nicht zur Last gelegt werden. Das mache aber nichts, heißt es aus Ermittlerkreisen, denn längst hat man genügend Material zusammen, um vor allem N. diesmal vermutlich ins Gefängnis bringen zu können. Nach Informationen des Tagesspiegels ist N. nicht nur wegen eines Sexualdelikts 2004 zu einer Geldstrafe verurteilt worden, sondern 2009 erneut wegen Sexualdelikten zu zehn Monaten Bewährungsstrafe. Damals reichten die Beweise für eine härtere Strafe nicht aus. Nun aber ist er in 13 Fällen des schweren Missbrauchs angeklagt, teilweise hat er die Taten gemeinsam mit M. begangen. Die Liste der Taten beginnt schon 2001 und endet 2008.

N. hat 12-Jährige demnach zum Oralverkehr verführt, hat sie an den Genitalien „manipuliert“, wie es in der Sprache der Justiz heißt, oder sie gemeinsam mit seinem Freund M. zu sexuellen Handlungen gezwungen. Nach Kenntnis der Ermittler wurden die Jungen unter verschiedenen Tätern herumgereicht. Der Prozess gegen N. wird nun vor dem Berliner Landgericht stattfinden, damit ist, bei einer Verurteilung, eine Strafe von mindestens vier Jahren wahrscheinlich.

Bei allen Tätern, also auch bei den bereits verurteilten Daniel P. und Gunnar L., tauchte immer wieder das Opfer S. auf. Dessen Schwester hatte das Verfahren mit einer Anzeige im September 2010 ins Rollen gebracht. Dieser Junge wurde laut Ermittlern von 2005 bis 2010 missbraucht, am Anfang war er 12 Jahre alt. Immer wieder kam es nicht nur auf dem Gelände der Parkeisenbahn, sondern vor allem bei Ferienfahrten und bei den Tätern in der Wohnung zu Übergriffen. Unter den Angeklagten sind mehrere leitende Mitarbeiter. N. war einst in der Bahnhofsleitung und später im Vorstand der „Hei Na Ganzlin“-Bahn an der Müritz.

Die Berliner Ermittler, denen N. bereits einschlägig bekannt war, haben 2010 auch die zuständige Polizei in Waren über die mögliche Gefahr durch N. informiert. Diese wiederum hat das dem Verein mitgeteilt. Allerdings geschah dies in einer Zeit, in der sich die Mitglieder des Eisenbahnvereins völlig zerstritten hatten. Der damalige Vorstand, Rainer Zache, glaubt bis heute, dass seine Nachfolger ihn und die Mitglieder N. und M. nur „denunzieren“ wollten und das pornografische Material selbst deponiert hätten. Maske sagt, Zache sei bei einem der Funde selbst anwesend gewesen.

Vor zwei Tagen haben Maske und sein Kollege Marco Mittelsdorf nochmals den Bauzugwagen mit zwei Schlafabteilen in Bernau durchsucht. Die Polizei ist laut Maske „noch nie hier gewesen“. Maske und Mittelsdorf fanden am Mittwoch eine DVD wieder, obendrauf soll der Name von M. gestanden haben. Pornografisches Material hat die DVD nicht enthalten, aber Aufnahmen der Kinder von der Parkeisenbahn – in Uniform bei der Arbeit.

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