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Brandenburg: Mit der Ferkeltaxe auf die Erfolgsschiene

Die privatisierte Prignitzer Eisenbahn ist inzwischen drittgrößtes deutsches Bahnunternehmen. Jetzt gibt es moderne Fahrzeuge

Pritzwalk. Es rumpelt, zieht und dröhnt nicht mehr. Der Lokführer muss nach einer Frostnacht nicht mehr mühevoll das Eis von den Innenscheiben abkratzen, und auf Schal, Mütze und Handschuhe während der Fahrt kann er genau wie seine Fahrgäste verzichten. Bei der Prignitzer Eisenbahn im Nordwesten Brandenburgs beginnt tatsächlich in diesen Tagen ein neues Zeitalter. Statt der Ferkeltaxen, wie die betagten und auf jeglichen Komfort verzichtenden Triebwagen hießen, rollen nun moderne Regio-Shuttles durch die Gegend zwischen Meyenburg, Pritzwalk, Kyritz, Neuruppin und Neustadt (Dosse). Zum Fahrplanwechsel am nächsten Wochenende soll die Umstellung abgeschlossen sein.

Damit krönt das Unternehmen seine bisherige Erfolgsgeschichte. Denn während die Deutsche Bahn AG das Streckennetz gerade in Brandenburg immer weiter ausdünnt – seit dem 1. Dezember fahren keine Züge mehr zwischen Neustadt und Rathenow sowie zwischen Belzig und Brandenburg – zeigt die Umsatzkurve bei der Prignitzer Eisenbahn erstaunlich steil nach oben. Dabei fing es vor sieben Jahren ganz klein an. Den damals 29-jährigen Thomas Becken packte die Lust auf Selbstständigkeit. Er kündigte seinen Beamten-Job als Lokführer bei der Bahn AG in Hamburg und gründete die erste Privatbahn in Brandenburg.

Gemeinsam mit drei Angestellten übernahm Becken 1996 die 17 Kilometer lange Strecke zwischen Putlitz und Pritzwalk in Eigenregie. Die große Bahn wollte die Verbindung ursprünglich aufgeben und hatte den 40 Angestellten im Bahnhof Putlitz schon gekündigt. Der gebürtige Prignitzer Becken und sein kleines Team sparten sich eine Personalabteilung, eine Materialausgabe, eine Kantine, Sekretärinnen und viele andere Dinge. Statt dessen servierte Becken den Fahrgästen Kaffee, verkaufte Tageszeitungen und veränderte den Fahrplan nach den Wünschen der Schüler, Berufspendler und Ausflügler. Schritt für Schritt gewann er immer mehr Fahrgäste und sogar den Wettbewerb gegen den damals vom Landkreis noch stark subventionierten Busverkehr. Weitere Strecken folgten, auf denen überall altertümliche blau-rot lackierte Triebwagen zum Markenzeichen wurden.

„Heute werden wir sogar als drittgrößtes Eisenbahnunternehmen Deutschlands geführt“, sagt Geschäftsführer Ralf Böhme. „Vor uns stehen nur die Bahn AG und Connex. Das ist schon fast unheimlich.“ 270 Angestellte zählt die Prignitzer Eisenbahn, die inzwischen auch Strecken in Mecklenburg-Vorpommern und in Nordrhein-Westfalen bedient. Ab Dezember nächsten Jahres kommen in Brandenburg die Linien von Berlin nach Tiefensee, Königs Wusterhausen und Beeskow, Eberswalde und Frankfurt (Oder) sowie zwischen Eberswalde und Templin dazu.

Die acht neuen Regio-Shuttles aus dem Pankower Betrieb Stadler kosten 12 Millionen Euro, von denen 75 Prozent das Land Brandenburg trägt. Allerdings können die klimatisierten und ruhigen Fahrzeuge auf den teilweise maroden Gleisen kaum einmal ihre volle Leistung von Tempo 120 zeigen. Da ist oft schon bei 30 bis 40 Kilometern pro Stunde Schluss. Bislang gehörten Schienen und Gleiskörper der Bahn AG, die von den Prignitzern so genanntes Trassengeld verlangte. „Das versank aber im Getriebe des großen Unternehmens und kam nicht uns zugute“, kritisiert Geschäftsführer Böhme. „Jetzt kaufen wir auch die Gleise, damit wir in absehbarer Zeit schneller und komfortabler unterwegs sein können.“ Ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte deutet sich an.

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