zum Hauptinhalt

Brandenburg: Mit Polizeigeleit in die Schule?

In Bayern gibt es das schon: Vormittags zwischen neun und zwölf Uhr pirschen sich unauffällig gekleidete Zivilfahnder an Kinder und Jugendliche heran, die beispielsweise in CD-Abteilungen großer Kaufhäuser herumstöbern. "Heh, mein Freund, müsstest du um diese Zeit nicht in der Schule sein?

Von Sandra Dassler

In Bayern gibt es das schon: Vormittags zwischen neun und zwölf Uhr pirschen sich unauffällig gekleidete Zivilfahnder an Kinder und Jugendliche heran, die beispielsweise in CD-Abteilungen großer Kaufhäuser herumstöbern. "Heh, mein Freund, müsstest du um diese Zeit nicht in der Schule sein?"

Wehe, wenn dem so ist - dem Schulschwänzer droht dann nicht nur ein Verhör auf der Polizeiwache, sondern auch die "Verbringung" mit der grünen Minna in die ungeliebte Erziehungseinrichtung. Immerhin werden die Blaumacher nicht direkt im Klassenraum, sondern im Schulsekretariat abgeliefert. Bayern ist schließlich ein liberales Land, von dem Brandenburg noch viel lernen kann. Meint jedenfalls der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Sven Petke, der künftig auch die Polizei in Mark und Lausitz gegen die Schulschwänzer einsetzen will.

Man hat ihn deshalb dieser Tage viel gescholten. Zu Recht. Lehrer, Sozialarbeiter, Polizei-Gewerkschafter und ausnahmsweise sogar die Genossen vom Koalitionspartner SPD äußerten Kritik an Petkes Vorstoß. Aber vielleicht hat der Mann nur nie den Kinderfilm "Der tapfere Schulschwänzer" gesehen. Sonst wüsste er, dass manche Kids, die dem Unterricht fernbleiben, nur Träumer sind. Und keine Kriminellen.

Genau dies aber ist am Petke-Vorschlag so brisant. Schulschwänzer zu kriminalisieren ist genauso verwerflich wie die Vorstellung dümmlich ist, dass die Polizei alle Probleme lösen könnte. Dazu ist sie schon aus personellen Gründen nicht in der Lage. Schon gar nicht die Brandenburger Polizei, die derzeit neben ihren normalen Aufgaben von der Bekämpfung der Computerkriminalität bis zum Rechtsextremismus auch eine Strukturreform à la Schönbohm verkraften muss, von der noch keiner weiß, wie sie endet.

Deshalb kann man - und genau so empfinden es auch viele Beamte - den Petke-Vorstoß nur als neuerlichen Versuch werten, die Polizei als politischen Spielball zu missbrauchen. Innere Sicherheit, Recht und Ordnung sind nun einmal Themen, die den Bürgern am Herzen liegen. Und nachdem andere populäre Maßnahmen wie der finale Rettungsschuss oder die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen im Gegensatz zu anderen Bundesländern in Brandenburg bereits längst beschlossene Sache sind, soll es nun die Schulschwänzer treffen. Auch wenn im Land bereits erfolgreiche soziale Projekte laufen, die an den Wurzeln der Verweigerungshaltung von Kindern und Jugendlichen ansetzen. Auch wenn sich Eltern auf diesem Weg eben nicht aus ihrer Verantwortung stehlen können. Auch wenn es für Lehrer eine Horrorvorstellung ist, künftig Zwangszugeführte unterrichten zu müssen.

Es könnte allerdings auch noch schlimmer kommen: In Frankreich wurde ein Familienvater im vergangenen Jahr zu sieben Tagen Gefängnis verurteilt, weil sein Sohn die Schule geschwänzt hatte. In Oberösterreich erhalten unentschuldigt Fehlende (beziehungsweise ihre Eltern) Bußgeldbescheide. Und in England wurde jüngst ein Patent getestet, mit dem zu Unterrichtsbeginn eine entsprechende SMS-Nachricht ins elektronische Klassenbuch und zeitgleich an das Handy der Eltern von Schulschwänzern gesendet wird.

Sven Petke könnte sich also noch einiges einfallen lassen. Politiker haben vielleicht nichts Besseres zu tun. Polizisten schon.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false