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Brandenburg: Mit Vollgas durch den Tagebau

Neuer Kick für Motorsportfreunde in der Lausitz Dort entsteht eine gigantische Seenlandschaft

Grossräschen - Keine zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt von Berlins Mitte in eine zerklüftete Landschaft wie vom anderen Ende der Welt. Dabei geht es bequem zu: Der Zug fährt direkt nach Großräschen, am Bahnhof wartet der Kleinbus für die Weiterfahrt nach Klein Partwitz inmitten der Lausitzer Tagebaulandschaft an der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze, und dort schwingen sich die Ausflügler sofort aufs Quad. Dieses „Motorrad auf vier Rädern“ ist nach wenigen Proberunden gut zu beherrschen. Außer Gasgeben und Bremsen gibt es nicht viel zu beachten. „Voraussetzung ist ein Pkw-Führerschein“, sagt Veranstalter Andreas Ittmann. „Wir fahren ein kleines Stück auf öffentlichen Straßen. Außerdem ist natürlich der Schutzhelm Pflicht.“ Kleidung, die in erster Linie vor dem Staub schützen soll, wird entweder gestellt oder befindet sich im Gepäck der Ausflügler.

Dann steht dem Abenteuer nichts mehr im Weg. Mit viel Gas und geschickten Lenkbewegungen erklimmt die kleine Kolonne aus vier Fahrzeugen einen steilen Anstieg, um durch eine grandiose Aussicht belohnt zu werden. Auf der einen Seite liegt der aktive Tagebau Welzow-Süd, während daneben schon die neue Landschaft wächst. In die bis zu 60 Meter tiefen Gruben fließt nach dem Ende des Kohleabbaus Wasser aus dem Untergrund sowie aus der Spree und der Neiße. Der Partwitzer See, auf dessen künftiger Uferstrecke die Quads ihre ganze Stärke beweisen, gehört zur künftigen Lausitzer Seenkette aus rund 20 Gewässern.

Die Dimensionen sind gewaltig: Die Gesamtfläche aller Seen entspricht zwischen 2015 und 2018 etwa der der Insel Usedom. „Schiffbare Kanäle zwischen neun Seen eröffnen für den Wassersporttourismus völlig neue Perspektiven“, sagt Andreas Ittmann, der in der neuen Tourismusregion genau wie seine als Landschaftsführerin arbeitende Schwester einen Job gefunden hat. Rund 1500 Arbeitsplätze werden für die Lausitzer Seenkette prognostiziert. Dazu gehören Tourismusführer, Boots- und Radverleiher, Surf- und Segellehrer oder Hoteliers und Campingplatzbetreiber. Welche Entwicklung möglich ist, zeigt der vor 35 Jahren geflutete Senftenberger See mit seinen vielen Freizeitmöglichkeiten.

Die Quadfahrer erleben aber zunächst noch die „Zwischenlandschaft“. Vom Regen ausgewaschene Abraumhalden wirken wie Felswände, während auf wüstenartigen Flächen keine Pflanze wächst. In rasanter Berg- und Talfahrt entdecken die Teilnehmer immer neue Aus- und Einblicke. In einer kürzlich aufgegebenen Tagebauecke taucht plötzlich eine Art „Fata Morgana“ auf – eine Tafel mit weißer Tischdecke vor einer tiefschwarzen Kohlewand. Aus der Ferne nähert sich eine Gruppe von Bergbautouristen, die nach einer Wanderung eine Rast einlegt. Ein sogenannter Aufsetzer, ein umgebauter Lkw mit großer Bodenfreiheit, hat sie zum Tagebau Welzow-Süd gebracht. Nun genießen sie das Gefühl, am Grund eines künftigen Sees spazieren zu gehen.

Die Quadfahrer haben noch eine längere Wegstrecke vor sich und begeben sich an ihre Maschinen. Nach einer halben Stunde haben sie die Zivilisation wieder erreicht. Claus-Dieter Steyer

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