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Brandenburg: Mutig wie wenige

Zwei Frauen hielten einen Schläger auf – und retteten vermutlich ein Leben

Von Frank Jansen

Potsdam – Sie ist aufgeregt, rudert mit dem Arm und reißt beinahe das Mikrophon vom Tisch. Wie eine heldenhafte Kämpferin gibt sich Nicole L. nicht. Dabei hat sie eine nicht alltägliche Tugend gezeigt: Zivilcourage. Die kleine 25-jährige Frau ist in der Nacht zum 18. Juli 2004 einem weitaus stärkeren Mann in den Arm gefallen und hat so vermutlich einen Mord verhindert. „Ich habe ihn am linken Handgelenk festgehalten“, sagt Nicole L. hastig, „er stand vor mir und hat sich aufgepumpt“. Doch die Frau schaffte es mit eindringlichen Worten, einen weiteren Angriff auf einen schon lebensgefährlich verletzten Afrikaner zu verhindern.

Jetzt, ein halbes Jahr später, sitzen der mutmaßliche Täter, ein Mitangeklagter, das Opfer und dessen Retterin nah beieinander. Im Potsdamer Landgericht wird ein Fall verhandelt, in dem es mal nicht nur um Fremdenhass geht, sondern auch um eine untypische Reaktion.

Nicole L. ist am Donnerstag als Zeugin aufgetreten. Sie identifiziert den Angeklagten Torsten Z. als den Mann, den sie damals festgehalten hat. Die Staatsanwaltschaft hat, wie berichtet, den Bundeswehr-Oberfeldwebel angeklagt, er habe in jener Nacht in Brandenburg/Havel dem Kenianer Oscar M. eine abgebrochene Bierflasche in den Hals gestoßen. Das sei versuchter Mord, begangen aus „fremdenfeindlich motivierter Wut“. Am ersten Prozesstag vor zwei Wochen sagte Torsten Z., er könne sich an fast alles in der Nacht erinnern, aber nicht an einen Angriff mit einer Flasche. Wie auch immer: Der Kenianer kam nur knapp mit dem Leben davon. Die lange Schnittwunde liegt gleich neben der Halsschlagader.

Schon als Torsten Z. und der Mitangeklagte Andreas R. damals anfingen, Oscar M. und einen weiteren Kenianer anzupöbeln, versuchten Nicole L. und ihre Bekannte Jana B. zu schlichten. Diese, 20 Jahre alt, ebenfalls nicht eben groß gewachsen, beschrieb dem Gericht, wie sie mit Nicole L. auf die beiden Männer einredete, die Kenianer in Ruhe zu lassen. Als es nichts nützte, entfernten sich die beiden Frauen ein wenig, um per Handy die Polizei zu rufen. Da hörten sie Glas klirren. Sie liefen hin und sahen, wie Oscar M. blutend auf Straßenbahnschienen lag. Jana B. versuchte, dem Kenianer zu helfen – während Nicole L. den Oberfeldwebel festhielt und auf ihn einredete.

Auch wenn manche Angaben der Zeuginnen ungenau bleiben, zollt Richter Frank Tiemann ihnen Respekt. „So viel Zivilcourage zeigen nur wenige“, sagt er, „darauf können Sie stolz sein.“

In Brandenburg/Havel allerdings sieht das nicht jeder so. Sie fühle sich bedroht, sagt Jana B., und Nicole L. berichtet von Beschimpfungen. Und von einem Versuch, sie zur Falschaussage zugunsten von Torsten Z. zu bewegen. Woher die beiden Frauen ihren Mut nehmen, können sie nicht erklären. „Wir haben damals impulsiv reagiert“, sagt Nicole L. Dem Richter erklärt sie, „wie Frauen so sind, haben wir uns eingemischt“.

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