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Brandenburg: Nach Feldherrenart

Jörg Schönbohm stellt sich gern als Macher da – und ist es wohl auch, wie selbst die PDS zugibt. Heute wird der CDU-Politiker 65 Jahre alt

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Nicht nur die Episode sagt einiges über diesen Mann, sondern auch, dass Jörg Schönbohm sie selbst oft erzählt. Es war vor zwei Wochen, als mit dem Pegel des Elbehochwassers in Brandenburg die Angst stieg. Der Innenminister, auch für den Katastrophenschutz zuständig, inspizierte die Deiche in der Prignitz. „Wir müssten sie auf 15 Kilometer Länge um einen halben Meter erhöhen“, so die resignierende Auskunft des Landrats. „Das ist nicht zu schaffen!“ Schönbohm: „Wieso nicht?“ Ein Griff zum Handy. „Morgen haben sie 1,2 Millionen Sandsäcke und 1200 Soldaten.“ Jörg Schönbohm, der erst 1996 in die Politik einstieg, ist der General geblieben, der er einmal war. Wie ein Feldherr packt er Probleme an – nicht nur das Hochwasser: Lage und Kräfte analysieren, Strategie entwickeln, blitzschneller Entschluss, die Truppe mitreißen. Das ist ein Geheimnis seines Erfolgs. So hat der Mann mit den buschigen Augenbrauen, der heute 65 Jahre alt wird, schon die Nationale Volksarmee aufgelöst – erstaunlich geräuschlos. So hat er das Stolpe-Land erobert, obwohl es als uneinnehmbare rote Festung galt, selbst das Adenauer-Haus die märkische CDU-Truppe, diesen versprengten Intrigenverein, längst abgeschrieben hatte. Und nach dem gleichen Prinzip hat er seitdem, als Innenminister der Großen Koalition, gegen alle Widerstände die aufgeblähten Polizei- und Gemeindestrukturen umgekrempelt. Und er hat die Polizei mit neuen Funkstreifenwagen, Schutzwesten, Hubschraubern ausgerüstet. Jörg Schönbohm, der Reformer, der Tempomacher. So sieht zumindest er selbst seine Rolle.

Und tatsächlich bestreitet nicht einmal die oppositionelle PDS, dass der Prinzipien-Konservative, der die staatsgläubige „kleine DDR“ in den Westen führen wollte, das Land verändert. „Der Mentalitätswandel ist eingeleitet“, resümiert er. „aber nicht vollzogen“. Mit seinem Reformeifer trieb er die SPD „wie eine Schafherde“ (ein CDU-Mann) vor sich her. Bis sich Stolpe dazu gezwungen sah, den Stab an Kronprinz Matthias Platzeck vorzeitig zu übergeben? Manche, selbst in der SPD, sehen es so: „Gäbe es Schönbohm nicht, wäre Manfred Stolpe heute noch im Amt.“ Für ihn selbst, vom plötzlichen Machtwechsel überrumpelt, mag darin eine gewisse Gefahr liegen. Stolpe schaffte es mit seiner Autorität, seiner diplomatischen Kunst, Schönbohm zu zügeln, seine Spontanität und Emotionalität zu bremsen. Er lässt sich leicht provozieren, legt sich früh fest, muss Rückzieher machen. Das kratzt an seiner Autorität.

Und nun Platzeck? Misstrauisch beobachtet Schönbohm, wie der Stolpe-Nachfolger, der sein Sohn sein könnte, regiert. Seine „Meisterprüfung“, davon ist Schönbohm überzeugt, müsse Platzeck erst noch ablegen. Dass Platzeck beim Hochwasser wie einst an der Oder als „Deichgraf“ brillierte, präsent auf allen TV-Kanälen, dass ihm in der Öffentlichkeit nur eine Nebenrolle blieb, muss Schönbohm gekränkt haben. Mehr, als er sich anmerken lässt. Er wirkt dünnhäutiger, auch wenn er es bestreitet. Auf der CDU-Wahlkundgebung in Potsdam bricht es aus ihm heraus: „Herr Stolpe, so mies habe ich Sie noch nicht erlebt.“ Und alles wegen eines Wahlkampf-Satzes, dass Stoiber die Schauspielschule besucht habe, als Schröder Schutzpatron der Flutopfer gewesen sei. Vielleicht, sinniert der selbst nicht Zimperliche, „bin ich zu sensibel für brandenburgische Dickfälligkeit“. Er, der „mit dem Kampfanzug“ gegen Schröder, gegen Rot-Grün zu Felde zieht? In Platzecks Umfeld ist man zunehmend genervt, spricht man von „einer gestörten Wahrnehmung“. Man glaubt, dass Schönbohm nach Stolpes Abtritt die Rolle des Landesvaters einnehmen wollte. Nun spüre er, dass Platzeck ihm die Grenzen zeige, härter sei als Stolpe. „Damit kommt er nicht klar.“ Er sei es, der sich nicht an die Absprache halte, die Koalition im Wahlkampf „außen vor“ zu lassen.

Reagiert Schönbohm auf Kritik an Stoiber so empfindlich , weil er darauf baut, dass der ihn bei einem Wahlsieg der Union ins Bundeskabinett holt? CDU-Politiker sind sich sicher, dass er seine ungewöhnliche militärisch-politische Laufbahn gern als Bundesverteidigungsminister krönen würde. Aber selbst dann würde er CDU-Landeschef bleiben müssen, da die alten Grabenkämpfe ohne ihn sofort wieder ausbrächen. Ein Nachfolger ist weit und breit nicht in Sicht. Zwar hat er Seiteneinsteiger geholt, wie Kulturministerin Johanna Wanka oder die Rechtspolitikerin Barbara Richstein, die jetzt das Justizressort übernahm. Er hat Talente gefördert wie den ehrgeizigen Innenpolitiker Sven Petke oder dessen Lebensgefährtin Katherina Reiche, die Stoiber in sein Kompetenzteam geholt hat. Aber noch gibt es niemanden, der Schönbohm ersetzen könnte. „Das beschäftigt mich“, sagt er, „die Frage steht auf der Tagesordnung“. Es beabsichtige nicht, möglichst lange im Amt zu bleiben. Er wolle „einen geordneten Übergang, der von allen akzeptiert und gemeinsam vollzogen wird“. Da ist er wie Manfred Stolpe – viel Zeit hat er nicht.

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