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Von Ost nach West. Johanna Wanka wechselt als Wissenschaftsministerin nach Niedersachsen und ist damit die erste Ostdeutsche in einem westdeutschen Flächenland.

© dpa

Neuer Posten: Wanka wieder Regierungsmitglied – in Hannover

Die CDU-Landeschefin und langjährige Wissenschaftsministerin Johanna Wanka steht vor einem Wechsel. Stellvertreterin Saskia Ludwig übernimmt ihre Ämter.

Potsdam - Und plötzlich ist sie weg, schon ab nächste Woche. Kein Sterbenswörtchen hatte Johanna Wanka, Brandenburgs CDU-Landes- und Fraktionschefin, selbst engsten Parteifreunden verraten. Aber jetzt müssen in der brandenburgischen CDU die personellen Karten neu gemischt werden: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) holt die langjährige Potsdamer Wissenschaftsministerin, die nach der rot-roten Regierungsbildung ihren Kabinettsposten verlor und Oppositionsführerin wurde, völlig überraschend als Hochschulressortchefin. Wanka wird damit erste Ostdeutsche in einem westdeutschen Kabinett. „Ich will gestalten. Es war ein Angebot, das ich gar nicht ausschlagen konnte“, sagte Wanka nach Wulffs Pressekonferenz in Hannover am Montag dem Tagesspiegel. „Bisher gab es immer nur West-Importe. Dass 20 Jahre nach dem Mauerfall jemand in die umgekehrte Richtung geht, ist doch völlig in Ordnung.“ Und es kommt nicht von ungefähr. Die Mathematikprofessorin hatte sich als durchaus unkonventionelle, pragmatische Präsidentin der Kultusministerkonferenz bundesweit Ansehen erworben. Schon Hamburgs Regierungschef Ole von Beust wollte Wanka in sein Kabinett holen – was sie damals ablehnte.

In Brandenburg soll nun ihre bisherige Stellvertreterin Saskia Ludwig sowohl Fraktions- als auch Landeschefin werden. Den Fraktionsvorsitz hatte Ludwig schon einmal, ehe sie nach dem Ende der Großen Koalition 2009 diesen Posten einvernehmlich für Wanka räumte: Für eine schlagkräftige Opposition, so das Kalkül, brauche man Führung in einer Hand. Die einflussreiche CDU-Kreischefin von Potsdam-Mittelmark ist Unternehmerin und Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Landtag. Sie galt bereits in Zeiten der Großen Koalition als schärfste Kritikerin einer Fortsetzung der Verschuldungspolitik. Sie gehörte zu jenem CDU-Quartett, das noch unter dem damaligen Parteichef Jörg Schönbohm ein schärferes CDU-Profil im „schlechtesten Landesverband Deutschlands“ einforderte und für einen Gang in die Opposition zur Selbsterneuerung plädierte.

Was der Wechsel für die Union bedeutet, ist umso spannender. Die Brandenburger CDU war mit Ausnahme der Schönbohm-Ära (1999 bis 2009) für Grabenkriege berüchtigt. Wanka, mit deren Amtsantritt die Lagerkämpfe zwischen Anhängern um Ex-Generalsekretär Sven Petke und Ex-Parteichef Ulrich Junghanns beendet wurden, hat die Nachfolge vorbereitet. „Die Fraktion ist in der Opposition gut aufgestellt“, sagte Wanka.

Am heutigen Dienstag wollen die geschäftsführenden Vorstände von Partei und Fraktion zusammenkommen. Die Wahl Ludwigs könnte danach bereits kommenden Dienstag – noch von Wanka geleitet – geschehen. Den Parteivorsitz will Wanka für eine kurze Übergangszeit noch behalten, „um eine geordnete Lösung für die Zukunft zu finden“, wie sie sagte. Will heißen: Um die geplante Personalunion durchzusetzen und keine Debatten aufkommen zu lassen. Der Parteitag soll vor der Sommerpause stattfinden. Mit Spannung wird erwartet, ob etwa die beiden Vize-Landesvorsitzenden Sven Petke und die frühere Justizministerin Barbara Richstein eigene Ambitionen erkennen lassen. Gestern ging niemand aus der Deckung. Allerdings hat sich Richstein gerade bereit erklärt, bei der Oberbürgermeisterwahl in Potsdam anzutreten. Petke wiederum hatte beim letzten Wahlparteitag von allen vier Wanka-Stellvertretern das schlechteste Ergebnis.

„Seit zwei Jahren herrscht konstruktive Ruhe in der Partei. Das wollen die Mitglieder“, sagt denn auch Generalsekretär Dieter Dombrowski, der einen geräuscharmen Übergang ohne Turbulenzen vorhersagt. Eine Personalunion von Fraktions- und Parteivorsitz – wie im Fall Ludwig möglich – sei üblich. „Das hat sich in der Bundesrepublik bewährt, weil es Reibungsverluste vermeiden hilft.“ Dombrowski geht auch nicht davon aus, dass die Doppelbelastung der designierten Fraktions- und Parteichefin als Mutter eines Kleinstkindes in der Partei eine Rolle spielen wird. Die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche habe als Mutter von drei Kindern bewiesen, dass man beides vereinbaren könnte.

Das Personalkarussell in der CDU löst in den Parteien unterschiedliche Reaktionen aus. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, Brandenburg verliere „eine integre Persönlichkeit, die dem politischen Klima hierzulande gutgetan hat.“ Wanka habe in der Union „ einen Politikwechsel angeschoben, weg von der Blockpartei-Nachfolgerin hin zu einer moderneren CDU“. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser gratulierte Wanka: „Die erste Ostdeutsche, die im Westen Minister wird.“ Sie habe „ohne Zweifel die Erfahrung und die Kompetenz dafür“. Und sie prophezeite „Führungsprobleme“ in der Union. Mit Wanka gehe „die letzte Vertreterin der seriösen Regierungs-CDU“, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Ness: „Jetzt gehen die Ausscheidungswettkämpfe in der CDU wieder los.“

Allerdings wird quer durch die Lager auch registriert, wie konsequent Wulff in Niedersachsen vier eigene Minister vor die Tür setzte – und durch Fachleute wie Wanka ersetzte, was sich deutlich von SPD-Personalien der letzten Kabinettsbildung von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) unterscheidet. „Unser Ministerpräsident bringt eine solche Kabinettsumbildung gar nicht zustande“, höhnte denn auch CDU-Generalsekretär Dombrowski. „Dazu muss man stark sein.“

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