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Deutsche und polnische Eisbrecher sind auf der Oder im Einsatz. Die Eisdecke der Oder muss aufgebrochen sein, bevor die Massen aus dem zunächst noch zugefrorenen polnischen Nebenfluss Warthe sie erreichen.

© dpa

Oder: Eisbrecher kommen kaum voran

Noch halten die Deiche an der Oder im Nordosten Brandenburgs. Aber die Pegel könnten wieder steigen. Die Behörden halten sich mit Anordnungen noch zurück.

Zollbrücke - „Brenzlig wird es erst, wenn die Sirenen heulen.“ Die Antwort von Olaf Lapp, dem Wirt des am Sonnabend gut besuchten Gasthauses Zollbrücke direkt an der Oder ist typisch für die Stimmung im Hochwassergebiet nordöstlich Berlins. „Wir können ja selbst nicht viel machen und hoffen nur auf einen glücklichen Ausgang der schwierigen Lage.“ Bei diesen Worten blickt der Chef skeptisch aus den Fenstern seines Fachwerkhauses auf den in den letzten Tagen erheblich angestiegenen Grenzfluss. Bisher halte sich die Zahl der Eisschollen in Grenzen. Doch die Situation könnte sich schlagartig ändern. „Wenn die Eisdecke auf der Warthe bricht, schwimmen die Schollen zur Oder und kommen bei Hohenwutzen nicht weiter.“ Zwölf Kilometer sind es von hier bis zum Beginn der Eisgrenze unweit der großen Brücke am Grenzübergang zum polnischen Billigmarkt auf dem östlichen Ufer.

Das weitere Szenario lässt sich nur erahnen. Die über und unter Wasser schwimmenden Eisbrocken könnten sich an der Barriere so verkeilen, dass kein Wasser mehr abfließen kann. Im Handumdrehen würden die jetzt schon teilweise nur mit Sandsäcken verstärkten Deiche überschwemmt werden. Abhilfe könnten nur die Eisbrecher schaffen. Die kommen aber trotz ihrer 850 bis 1000 PS starken Motoren und ihres Stahlrumpfes nur langsam gegen den zwei Meter dicken Eispanzer voran. „Am Freitag schafften sie flussaufwärts nur fünf Kilometer“, hieß es vom Hochwassermeldezentrum. „Das von ihnen gebrochene Eis konnte kurzzeitig in Richtung Ostsee abfließen, so dass der Pegelstand um 80 Zentimeter auf 7,07 sank.“ Aber am Abend hätten sich die Schollen wieder zusammengeschoben. Dadurch sei das Wasser fast auf den alten Stand gestiegen. Daher mussten die Eisbrecher am Sonnabend erst mal ins Stettiner Haff zurückkehren, um eine Abflussrinne in die Ostsee zu gewährleisten. Die Bewohner des Oderbruchs hoffen auf einen nur geringen Anstieg der Temperaturen, damit sich die Eisschollen von der Warthe nicht auf einen Schlag lösen. An der Mündung in die Oder bei Küstrin wurden am Sonnabend nur wenige Eisstücke beobachtet. Doch die Situation könnte sich schnell zuspitzen.

Unvergessen ist das letzte große Winterhochwasser 1982. „Damals kippten Pioniergruppen der NVA Unmengen von Sand und Kies an das Ufer, um eine Überflutung zu vermeiden“, erinnert sich Rentner Paul Loringer auf der Brücke von Hohenwutzen. „Zum Glück fror der provisorische Damm in der Nacht zusammen und hielt damit dem Druck stand.“

Darauf wollen sich die meisten Einwohner diesmal nicht verlassen. Bei einem möglichen Dammbruch bei Hohensaaten müssten rund 15 000 Menschen und mehrere zehntausend Tiere aus dem tiefen Oderbruch in höhere Lagen in Sicherheit gebracht werden. Von Panik will zwar niemand reden, aber dennoch laufen überall die Vorbereitungen auf den Ernstfall. „Wir suchen die wichtigsten Papiere zusammen und packen einen Koffer für die ersten zwei bis drei Tage im Notquartier“, sagte Inka Mother aus Wriezen. „Den neuen Fernseher räumen wir vorsichtshalber in das Obergeschoss.“ Zwei bis drei Tage brauche das Wasser auf der Alten Oder bis zu ihrem Haus. Das habe ihr Mann aus einer Computersimulation erfahren.

Die Behörden halten sich mit Anordnungen noch zurück. Bad Freienwalde, das ebenfalls vom Hochwasser eingeschlossen würde, verzichtete am Sonnabend auf die Postwurfsendungen mit Evakuierungsplänen. „Wir wollen die angespannte Situation nicht zusätzlich anheizen“, hieß es aus dem Rathaus. Das letzte Mal mussten im Sommer 1997 etwa 20 000 Bewohner des Oderbruchs zeitweilig ihre Häuser verlassen. Der Fluss konnte damals buchstäblich in letzter Sekunde im Bett gehalten werden. „Vielleicht haben wir diesmal wieder Glück“, sagt der Wirt Olaf Lapp. Vorsorglich liegen 25 000 Sandsäcke bereit.

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