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Oderbruch: Stärkstes Hochwasser seit Jahrzehnten

Zehntausende Hektar Felder und Dörfer im Oderbruch in Brandenburgs Osten sind überflutet - und das Wasser fließt nur langsam ab. Jetzt fürchten die Bauern der Region um die Ernte.

Das Oderbruch im Osten Brandenburgs ist dieser Tage vom stärksten Hochwasser seit Jahrzehnten betroffen – und das, obwohl der Pegel am Fuß des Deiches liegt, knapp unterhalb der ersten Hochwasserstufe. Insgesamt mehrere 10 000 Hektar Felder und Siedlungen stehen bis zu 40 Zentimeter unter Wasser, Keller sind überflutet. „Das ist ein einmaliges Phänomen, ein Binnenhochwasser“, sagt der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude.

„Das Oderbruch hat in den letzten 180 Jahren nichts Vergleichbares erlebt, das Wasser steht höher, als jemals in den gewässerkundlichen Jahrbüchern erwähnt.“ Bei Gusow ist die Pegellatte, wo der aktuelle Stand abzulesen wäre, unter der Wasseroberfläche verschwunden, immerhin mehr als 30 Zentimeter, „wir haben das nachgemessen“, sagt Freude.

Nach einer Krisensitzung des Landkreises Märkisch-Oderland am Freitag ist eine schnelle Besserung nicht in Sicht, denn das Wasser fließt zu langsam ab. „Das kann noch Wochen dauern“, sagt Freude. Das weit verzweigte Grabensystem und die Alte Oder können die Wassermengen nicht mehr fassen. Das Oderbruch, 60 Kilometer lang, 15 breit, vor 250 Jahren im Zuge der Begradigung der Oder trockengelegt und ein paar Meter tiefer gelegen als der Grenzfluss, läuft seit Monaten voll wie eine Badewanne. Erst das Schmelzwasser des schneereichen Winters, dann das Oderhochwasser im Mai, das Grundwasser stand enorm hoch. „Die Gräben waren randvoll“, berichtet Freude. Der Starkregen vor mehr als einer Woche mit 200 Litern pro Quadratmeter – mehr als ein Drittel der jährlichen Niederschlagsmenge – war schließlich zu viel.

Die Feuerwehren und das Technische Hilfswerk haben seither jede Menge zu tun. „Wir pumpen die Keller leer, von Feldern drückt das Wasser über das Grundwasser wieder hinein, das ist ein Kreislauf“, erklärt ein Sprecher des Landratsamtes. Landwirte in der Region gehen von Schäden in Millionenhöhe aus. „30 Prozent des Getreides stehen noch am Halm und können nicht geerntet werden“, sagt Henryk Wendorff, Chef des Bauernverbands in Märkisch-Oderland. „Auch der Mais steht noch, Ernte ist Mitte September. Nach ein paar Tagen im Wasser fallen die Pflanzen um.“ Die Ackerflächen mit ihrem überaus fruchtbaren Boden stünden zur Hälfte im Wasser.

Die anstehende Aussaat sei unmöglich, daher auch die Ernte 2011 in Gefahr, sagt Landwirt Carsten Stahl aus Neutrebbin. „Falls so etwas öfter passiert, dann sind sämtliche Betriebe im Oderbruch gefährdet.“ Für Umweltamtspräsident Freude sind solche extremen Wetterereignisse „keine Ausnahme mehr“, für das Oderbruch seien aber „viele unglückliche Faktoren“ zusammengekommen. Inzwischen wird der Notfallplan überarbeitet.

Experten des Umweltamtes und des Gewässer- und Deichverband Oderbruch (GEDO) reparieren mit Hochdruck Erdwälle und Schöpfwerke, die Alte Oder und Vorfluter wurden entschlammt und beräumt, damit das Wasser schneller abfließt. Seit dem letzten, kleineren Binnenhochwasser 2008 steckte das Umweltamt mehr als zwei Millionen Euro in das Sofortprogramm – „alles ökologisch bedenklich, genau das Gegenteil von einer Renaturierung“, sagt Freude. Landwirt Wendorff meint nur: „Das fordern wir seit Jahren.“

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