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Brandenburg: Ohne Polen nichts zu holen

Die EU-Erweiterung bringt der Lausitz neue Probleme: Investoren kommen – und gehen wieder, weil sie keine polnischen Arbeiter einstellen dürfen

Guben Ein Fax an den Bürgermeister machte die Hoffnung auf 120 Arbeitsplätze in Guben zunichte. Klaus-Dieter Hübner (FDP) fand das Schreiben vor ein paar Tagen in seinem Büro vor. Das Chemieunternehmen aus Fernost bescheinigte der Stadt an der Neiße eine ausgezeichnete Infrastruktur, guten Zugang zu den Rohstofflieferanten und sowie beste Betreuung durch die Behörden. Dass sich der Investor dennoch gegen den Standort Guben entschied, begründete er vor allem mit den „zu hohen Kosten für die menschliche Arbeitskraft“.

Der Bürgermeister verstand sofort. Wie viele andere Interessenten, die sich mit Blick auf die neuen Märkte in Osteuropa im deutschen Grenzgebiet ansiedeln wollen, hatte auch die Führung des Chemieunternehmens gehofft, teilweise polnische Arbeitnehmer einstellen zu können. „In den Vorverhandlungen war davon die Rede, etwa 80 Deutsche und 40 Polen zu beschäftigen“, erzählt Hübner: „Damit hätte man die Lohnkosten erheblich senken können, denn selbst ein Monatslohn von 500 Euro ist für polnische Arbeitnehmer sehr viel.“

Doch die deutsche Gesetzgebung lässt diese Möglichkeit nur zu, wenn keine deutschen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Und selbst dann gibt es in Städten und Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit – in Guben beträgt sie zurzeit 24 Prozent – noch besonders restriktive Bestimmungen für die Beschäftigung von Ausländern. „Was die momentanen Verhandlungen mit ausländischen Investoren angeht, erweist sich diese Regelung, die ja eigentlich zum Schutz der deutschen Arbeitnehmer gedacht war, als kontraproduktiv“, sagt Hübner. „Weil 40 Polen nicht eingestellt werden dürfen, entstehen auch keine Arbeitsplätze für 80 Deutsche.“

Der Bürgermeister formuliert solche Sätze sehr vorsichtig. Schließlich war er vor einigen Jahren auch gewählt worden, weil die Mehrheit der Einwohner in der Neißestadt seinem Vorgänger „zu große Polenfreundlichkeit“ vorwarf. „Ich denke schon in erster Linie an die Deutschen“, betont Hübner deshalb mehrfach. „Wenn ich für jeden Gubener einen Polen einstellen muss – na und? Die kaufen doch inzwischen auch hier in Deutschland ein und lassen einen Teil ihres Lohns wieder bei uns.“

Trotzdem hat Hübner lange gezögert, bis er seine Probleme mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den Übergangsfristen für die neuen EU-Beitrittsstaaten öffentlich gemacht hat. Deren Sinnhaftigkeit soll entsprechend der so genannten „2 plus 3 plus 2“-Regelung erstmals nach zwei, dann nach drei und wieder nach zwei Jahren geprüft werden. Dass kein Investor sieben Jahre wartet, ist nicht nur dem Gubener Bürgermeister klar. Auch seine Amtskollegen in Frankfurt (Oder), Schwedt und dem sächsischen Görlitz kämpfen mit ähnlichen Problemen. In einer gemeinsamen Erklärung haben sie die Bundesregierung aufgefordert, ihre Position zu überdenken.

„Es muss Ausnahmen geben, wenn dadurch deutsche Arbeitsplätze entstehen“, sagt auch der Landrat des Kreises Spree-Neiße, Dieter Friese (SPD). Er pflegt seit Jahren beste Beziehungen zur italienischen Region Venetien. „Viele mittelständische Unternehmen von da sind daran interessiert, sich hier bei uns anzusiedeln“, erzählt er. „Die haben dort kaum noch einheimische Arbeitskräfte.“

Seit die Grenze nach Polen offen ist, entfallen die Wartezeiten nicht nur für Zulieferer, sondern auch für die Lastwagen auf dem Weg zu den osteuropäischen Märkten. Die Infrastruktur westlich der Neiße ist besser als auf polnischer Seite. Und wenn sich dann noch die Lohnkosten senken lassen, weil ein Teil der Arbeiten durch schlechter bezahlte Polen ausgeführt wird, könnte es im Osten tatsächlich demnächst einen Aufschwung geben, hofft Friese. „Wir verhandeln zurzeit wieder mit koreanischen und italienischen Investoren“, sagt der Landrat und erwähnt als Beispiel eine Schuhfabrik, die ein Investor aus Venetien in Guben errichten will. Da es auf deutscher Seite nicht genügend Näherinnen gab, hatte der Unternehmer gehofft, Polinnen, die einst in den Textilfabriken auf deutscher Seite gearbeitet hatten, einstellen zu können. Aber das Cottbuser Arbeitsamt lehnte ab. Ein Sprecher begründete das damit, dass man lieber einheimische Arbeitslose qualifizieren und dem Investor „Eingliederungszuschüsse“ zahlen wolle, als polnischen Frauen Arbeitsgenehmigungen zu erteilen.

Die Verhandlungen laufen noch. „Vielleicht klappt es ja“, hofft Bürgermeister Hübner: „Aber das generelle Problem ist damit nicht gelöst. Da muss endlich die offizielle Politik reagieren.“ Sonst drohten starre Gesetze die neuen Chancen der Region gleich wieder zunichte zu machen.

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